OLG Brandenburg
Beschl. v. 20.05.2010 - 10 UF 46/09
Darum geht es:
Die beteiligten Eltern stritten um den Umgang des Vaters mit dem gemeinsamen Sohn. Der fast 15-Jährige lebte seit der Trennung seiner Eltern bei der Mutter. Da diese ihm keinen Umgang mit dem Sohn gewähre, leitete der Vater das vorliegende Verfahren ein. Er verlangte Umgang an jedem zweiten Wochenende sowie in den Ferien. Der fast 15-Jährige selbst sprach sich in seiner Anhörung gegen eine solche Umgangsregelung aus, insbesondere wollte er nicht beim Vater übernachten. Trotzdem räumte das Amtsgericht dem Vater den gewünschten Umgang ein.
Dagegen legte die Mutter Beschwerde beim OLG Brandenburg ein: Die angefochtene Entscheidung entspreche nicht dem Kindeswohl. Vielmehr hätten die Vorstellungen des 15-Jährigen im Hinblick auf sein Alter berücksichtigt werden müssen. Der Teenager wünsche keine festen Umgangstermine und wolle seine Freizeit lieber mit Sport und Freunden verbringen. Der nun per Beschluss angeordnete Umgang „breche seinen Willen“ und belaste ihn psychisch stark.
Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde zurück.
Wesentliche Entscheidungsgründe:
Nach § 1684 BGB hat jedes Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind berechtigt und verpflichtet. Das Umgangsrecht soll es dem Elternteil ermöglichen, sich vom Befinden des Kindes und seiner Entwicklung fortlaufend zu überzeugen, die nähere Beziehung zu seinem Kind aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen, auch dem Liebesbedürfnis beider Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, FamRZ 2008, 845, 849; BGH, FamRZ 1984, 778, 779).
Dem Kind soll das Umgangsrecht ermöglichen, die Beziehungen zu dem nicht mit ihm zusammen lebenden Elternteil so intensiv wie möglich aufrechtzuerhalten (BVerfG, FamRZ 2008, 845, 849). Denn für die Entwicklung des Kindes ist es sehr bedeutsam, nicht nur einen sorgenden Elternteil als ständigen Bindungspartner zu haben.
Daher regelt das Gericht den Umgang, wenn sich die Eltern nicht einigen können. Das Wohl des Kindes ist hierfür oberster, entscheidender Maßstab (vgl. BVerfG, FamRZ 1995, 86, 87). Dem Willen des Kindes kommt bei der Entscheidung maßgebliche Bedeutung zu, wenn es in der Lage ist, vernunftbestimmte Entscheidungen zu treffen und für eine etwa ablehnende Haltung subjektiv verständliche Beweggründe vorbringt.
Kindeswille entspricht nicht immer Kindeswohl
Vorliegend maß das Gericht der vom Sohn geäußerten Ablehnung jedoch kein entscheidungserhebliches Gewicht zu. Zwar habe der fast 15-Jährige wiederholt geäußert, nicht beim Vater übernachten zu wollen. Hierbei gebe er aber, auch nach Ansicht des Sachverständigen, vor allem die mütterliche Haltung wieder. Er selbst sei durch den Einfluss der Mutter so befangen, dass er den Gedanken, von sich aus zum Vater zu gehen, nicht zulassen könne. Seine Äußerungen beruhten nicht auf seinem autonomen Willen oder sonst nachvollziehbaren Beweggründen.
Diese Einschätzung belegten auch Briefe, die der fast 15-Jährige dem Senat geschrieben hatte. Sie trugen erkennbar die Handschrift der Mutter, die ihn überhaupt erst zum Schreiben angeregt hatte. Der Junge selbst hatte zunächst noch behauptet, die Briefe von sich aus verfasst zu haben – für den Senat ein weiteres Indiz für seine Unselbstständigkeit.
Angesichts dessen konnte die Entscheidung nicht auf den geäußerten Willen des Sohnes gestützt werden. Vielmehr, so das Gericht, läge es in seinem wohlverstandenen Interesse, dass er seinen Vater regelmäßig besuche und dort auch übernachte. Denn dadurch erhielten Vater und Sohn die Möglichkeit, nicht nur einige Stunden ohne Einflussnahme Dritter miteinander umzugehen, sondern auch mehr Raum für eine gemeinsame Wochenendgestaltung.
Quelle: OLG - Beschluss (10 UF 46/09) vom 20.05.10