Bei der familienpsychologischen Begutachtung in Kindschaftssachen muss der Sachverständige das Gericht informieren, wenn die voraussichtlichen Kosten außergewöhnlich hoch sind. Das hat das OLG Nürnberg entschieden. Im Zweifelsfall sollten sich Verfahrensbeteiligte nach den üblichen Sachverständigenkosten erkundigen. Eine generelle Hinweispflicht des Gerichts besteht insoweit nicht.
Sachverhalt
In einem seit mehreren Jahren laufenden Umgangsverfahren hat das Gericht die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben und die Hälfte der Sachverständigenkosten von insgesamt 13.358,49 € dem Antragsteller in Rechnung gestellt.
Der Sachverständige hatte eine Vergütung von 9.891,67 € für den Zeitaufwand, 283,95 € insbesondere für Schreibauslagen (269.000 Zeichen) und Kopierkosten sowie 1.933,37 € an Umsatzsteuer mit insgesamt 12.108,99 € in Rechnung gestellt. Für weitere Stellungnahmen und die mündliche Erörterung des Gutachtens wurden nochmals 476,00 €, 297,50 € und 476,00 € geltend gemacht.
Der Antragsteller wandte sich gegen den Ansatz der Sachverständigenkosten, beruft sich auf §§ 407a, 404a ZPO und rügt, der Sachverständige habe ihn zu keiner Zeit über die Höhe der zu erwartenden Kosten informiert.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Sein Rechtsmittel blieb erfolglos. Seine Einwendungen sind nicht geeignet, eine Niederschlagung der Kosten nach § 20 FamGKG zu begründen oder den Entschädigungsanspruch des Sachverständigen nach den §§ 8 ff. JVEG herabzusetzen. Die Kostenrechnung ist sachlich und rechnerisch richtig. Ein schuldhafter Verstoß des Sachverständigen gegen seine Pflichten ist nicht erkennbar.
Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 JVEG erhält der Sachverständige neben dem Ersatz von Fahrtkosten und der Entschädigung für sonstigen Aufwand (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 JVEG) für seine Leistung ein Honorar, das nach Stundensätzen zu bemessen ist – hier nach der Honorargruppe M3 mit einem Stundensatz von 100 €.
Die erforderliche Zeit i.S.d. § 8 Abs. 2 JVEG ist nach einem abstrakten und objektiven Maßstab zu ermitteln. Zugrunde zu legen ist derjenige Zeitaufwand, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen braucht, um sich nach sorgfältigem Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche Stellungnahme zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen.
Dabei sind der Umfang des ihm unterbreiteten Streitstoffs, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang seines Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache angemessen zu berücksichtigen.
Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die vom Sachverständigen angegebene Zeit richtig ist und für die Gutachtenerstellung auch erforderlich war. Anlass zur Nachprüfung besteht nur dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung außergewöhnlich hoch erscheint.
Das OLG verweist auf die von den Landessozialgerichten entwickelten Maßstäbe für eine Kontrollberechnung medizinischer Gutachten. Auch die Rüge der fehlenden Information durch den Sachverständigen (§ 30 Abs. 1 FamFG in Verb. mit § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO) lässt das OLG mit ausführlicher Begründung nicht durchgreifen.
Folgerungen aus der Entscheidung
Anders als im Zivilprozess wird in Kindschaftsverfahren die die Begutachtung nicht von einem Kostenvorschuss abhängig gemacht, sodass der Verfahrensbeteiligte nicht „vorgewarnt“ wird, was an Kosten auf ihn zukommen wird.
Praxishinweis
Das OLG gibt noch den Hinweis, der anwaltlich beratene Antragsteller hätte sich beim Gericht nach den „üblichen“ Sachverständigenkosten in Kindschaftssachen erkundigen können. Eine generelle Hinweispflicht des Gerichts besteht nicht, zumal bei einem Fachanwalt auch von ausreichenden Erfahrungswerten ausgegangen werden kann.
Dies macht die Verantwortung des Anwaltes deutlich. Leider wird in Kindschaftsverfahren das Kostenrisiko oft übersehen. Da die Kosten des Verfahrens regelmäßig gegeneinander aufgehoben werden, muss jeder Elternteil die Hälfte aller anfallenden Kosten zahlen.
Das sind nicht nur die Gerichts- und Anwaltskosten, sondern auch die Kosten des Verfahrensbeistandes, der regelmäßig bestellt wird, und die hohen Kosten eines eingeholten Sachverständigengutachtens. Das OLG merkt an, ihm sei erst vor kurzem ein Gutachten mit einer Kostennote von knapp 15.000 € (bei nicht sehr erheblichem Fahrtaufwand) zugegangen.
Auch Verfahrenskostenhilfe gegen Raten schützt nicht vollständig vor diesen Kosten, denn 48 Monatsraten müssen auf jeden Fall gezahlt werden. Der Verfahrensbevollmächtige sollte daher immer sorgfältig prüfen, ob tatsächlich auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens gedrungen werden soll.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.08.2018 – 11 WF 900/18
Quelle: Dr. Wolfram Viefhues, weiterer Aufsicht führender Richter am Amtsgericht a.D.