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Familienrecht -

Elternstreit: Was gilt bei der Sorgerechtsvollmacht?

Wann ist das gemeinsame Sorgerecht aufzuheben? Und wann kann eine Vollmacht eine Alternative sein? Das Amtsgericht Frankenthal hat entschieden, dass eine umfassende Sorgerechtsvollmacht der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf einen Elternteil nicht entgegensteht, wenn den Eltern die für die Vollmachtsausübung erforderliche Kommunikationsfähigkeit oder -bereitschaft fehlt.

Darum geht es

Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind getrenntlebende Eheleute. Das Scheidungsverfahren ist derzeit noch anhängig. Aus der Ehe sind drei minderjährige Kinder hervorgegangen. Die Eltern üben das Sorgerecht bislang gemeinsam aus. 

Zwischen den Beteiligten waren bereits diverse andere Familienverfahren anhängig. Seit ungefähr eineinhalb Jahren kommunizieren die Eltern praktisch nicht mehr miteinander. Zuvor gab es in der Zeit des gemeinsamen Zusammenlebens immer wieder heftige Auseinandersetzungen, die teilweise in gewalttätigen Übergriffen endeten. 

Unstreitig hat der Antragsgegner die Antragstellerin hierbei u.a. geschlagen und im Beisein der Kinder demonstrativ den Weihnachtsbaum der Familie umgeworfen. Diverse andere eskalierende Umstände und die genauen Hergänge und Verursachungsbeiträge sind zwischen den beteiligten Eltern streitig. 

Im Anhörungstermin hat der Antragsgegner die Antragstellerin umfänglich hinsichtlich der elterlichen Sorge bevollmächtigt. Die Antragstellerin begehrt dennoch die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sich.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Amtsgericht (Familiengericht) Frankenthal hat die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben.

Gründe für die Aufhebung der gemeinsamen Sorge liegen dann vor, wenn der im Rahmen der gemeinsamen Sorge notwendigen Konsensfindung unüberwindbare Hindernisse entgegenstehen. 

Ist das Verhältnis der Eltern von Gewaltanwendung eines Elternteils gegenüber dem anderen gekennzeichnet und hat dies negative Auswirkungen auf das Kind, so entspricht die Fortsetzung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht mehr dem Kindeswohl (vgl. BVerfG FamRZ 2004, 354, 355). Unabhängig davon muss nach dem Gericht für die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge eine objektive Kooperationsfähigkeit und eine subjektive Kooperationsbereitschaft der Eltern vorliegen. 

Eine solche Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft sei v.a. dann anzunehmen, wenn zu erwarten ist, dass beide Elternteile in Sorgeangelegenheiten von erheblicher Bedeutung verständigungsbereit zusammenarbeiten können und wollen und bei ihnen ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge besteht.

Nach dem Gericht ist zunächst zu beachten, dass - auch wenn diese Umstände bereits einige Zeit zurücklägen - die Trennungsgeschichte der Eltern von eskalierenden, teils gewalttätigen Auseinandersetzungen geprägt sei. 

Diese Auseinandersetzungen hätten sich auch deutlich negativ auf das Kindeswohl ausgewirkt, weil die Kinder dabei teilweise anwesend waren und gewalttätige Übergriffe des Vaters auf die Mutter miterleben mussten. Wobei sich aus Schilderungen ergäbe, dass diese Eindrücke auch bis heute noch nicht überwunden seien. 

Zudem sei unstreitig, dass eine kommunikative Basis zwischen den Eltern bereits seit mehr als einem Jahr nicht mehr besteht. Die Mutter lehnt die Kommunikation mit dem Vater mittlerweile ganz überwiegend ab. Die Kommunikationsweise des Vaters sei regelmäßig von verbalen Übergriffen und Integritätsverletzungen geprägt. 

Die zwischen den Eltern offensichtlich bestehenden Spannungen dürften auch fortbestehen, da nicht ersichtlich sei, dass der Antragsgegner an seinen Verhaltens- und Kommunikationsweisen arbeitet. Andererseits habe die Antragstellerin mittlerweile die Kommunikation mit dem Antragsgegner auf das Allermindeste reduziert. 

Es sei daher nicht zu erwarten, dass es den Eltern künftig gelingen wird, gemeinsam im Rahmen kommunikativer Prozesse zu kindeswohlverträglichen Lösungen im Rahmen einer gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge zu gelangen. Soweit aus der derzeitigen Spannungssituation nicht bereits eine Belastung der Kinder resultiert, sei jedenfalls zu befürchten, dass es künftig zu einer Belastung kommen wird. 

Nach dem Gericht entspricht es daher dem Kindeswohl am besten, die elterliche Sorge allein auf die Mutter zu übertragen. Die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Antragstellerin wird nach dem Gericht auch nicht dadurch entbehrlich, dass der Antragsgegner der Antragstellerin im Termin vom 11.01.2024 eine umfangreiche Sorgerechtsvollmacht erteilt hat.

Zwar hat der BGH mit Beschluss vom 29.04.2020 (BGH NJW 2020, 2162) entschieden, dass die Bevollmächtigung eines Elternteils eine ansonsten notwendige Übertragung des Sorgerechts ganz oder teilweise entbehrlich machen kann, wenn sie dem bevollmächtigten Elternteil eine ausreichend verlässliche Handhabe zur Wahrnehmung der Kindesbelange gibt. 

Insofern sei allerdings eine ausreichende Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern erforderlich. Dies sei auch bei dem durch die Vollmacht erweiterten Handlungsspielraum des bevollmächtigten Elternteils unerlässlich. Das Familiengericht müsse die Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft daher auch nach dem Erteilen einer Sorgerechtsvollmacht feststellen.

Die Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft der Eltern könne allerdings vorliegend nicht positiv festgestellt werden. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass im Streitfall beides fehlt. Zwar habe der Antragsgegner seinen mutmaßlichen Kooperationswillen letztlich dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er der Antragstellerin im Termin eine Sorgerechtsvollmacht erteilt hat. 

Dies sei allerdings nur nach intensivem Zureden durch das Gericht und durch seine Verfahrensbevollmächtigten sowie unter dem Druck der zu seinen Lasten sprechenden Verfahrenssituation erfolgt.

Das Gericht geht daher in der Zusammenschau der sich aus den Verfahren ergebenden Verhaltensweisen, Erfahrungen in Terminen und den Schilderungen von Jugendamt, Verfahrensbeistand und den Beteiligten davon aus, dass es dem Antragsgegner derzeit schlicht an der erforderlichen Kooperationsfähigkeit fehlt. Insbesondere fehle dem Antragsgegner in wesentlichen Punkten ein Einsehen in eigenes Fehlverhalten in der Vergangenheit und Empathie für Ängste oder negative Umstände, die er mit seinem Verhalten ausgelöst haben könnte.

Vor diesem Hintergrund geht das Gericht davon aus, dass es der Antragstellerin momentan nicht zugemutet werden könne, gemeinsam mit dem Antragsgegner die elterliche Sorge auszuüben - und sei es auch nur insofern, als dem Antragsteller durch die Vollmachterteilung Mitwirkungs- und Kontrollbefugnisse verbleiben. Denn eine Kooperation des bevollmächtigten Elternteils setze voraus, dass dieser ohne Angst in einen persönlichen Kontakt zum Antragsgegner eintreten kann. 

Amtsgericht Frankenthal, Beschl. v. 18.01.2024 - 71 F 214/23

Quelle: Amtsgericht Frankenthal, Pressemitteilung v. 24.05.2024

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