Erbrecht, Familienrecht -

Wirksamkeit eines Drei-Zeugen-Testaments

Ein sog. Drei-Zeugen-Testament ist ggf. unwirksam, wenn nicht feststeht, dass der Erblasser bei der Errichtung des Nottestaments in akuter Todesgefahr war oder die drei Zeugen von dieser überzeugt waren. Dies hat das OLG Hamm entschieden. Für die Feststellung einer nahen Todesgefahr ist auf den Entschlusszeitpunkt abzustellen. Auch auf die Erreichbarkeit eines Notars kommt es an.

Sachverhalt

Die geschiedene Erblasserin hatte einen einzigen Sohn. Mit Testament aus dem Jahr 2013 setzte sie diesen als Alleinerben ein.  Am 04.02.2104 wurde die Erblasserin mit Krebs im Endstadium ins Krankenhaus eingeliefert. Am 16.02.2014 wurde sie ins Hospiz verlegt. Dort starb sie am 19.02.2014. Schon am 04.02.2104 führte die Rechtsanwältin der Erblasserin mit dieser im Krankenhaus ein Beratungsgespräch über eine mögliche Änderung des Testaments im Hinblick auf die Überschuldung des Sohnes.

Die Rechtsanwältin fertigte sodann eine Vorlage für ein handschriftliches Testament, in dem der Sohn als Alleinerbe und die Rechtsanwältin als Testamentsvollstreckerin benannt wurden. Am 13.02.2014 kam es zu einem weiteren Beratungsgespräch. Noch am gleichen Tag fertigte die Rechtsanwältin den Entwurf eines überarbeiteten Testaments. In diesem mit „Nottestament“ überschriebenen Entwurf wurden zudem noch Vermächtnisse zugunsten der Enkelkinder mit aufgenommen. Der Entwurf war auch als Nottestament konzipiert und dementsprechend inhaltlich als Niederschrift mit Datum vom 13.02.2013 verfasst.

Am 15.02.2014 wurde auf der Grundlage dieses Entwurfes im Krankenhaus vor drei Zeugen das Nottestament wie folgt verfasst und von den drei Zeugen unterschrieben:

„Ich, …, setze meinen Sohn, … zu meinem Alleinerben ein. Sollte dieser das Erbe ausschlagen, setze ich das Hospiz in X als Erben ein. Meinen Enkeln ….  vermache ich jeweils 20.000,00 €, meinem Enkel … vermache ich 10.000,00 €. Das Geld soll den Vermächtnisnehmern erst bei Vollendung des 25. Lebensjahres ausbezahlt werden.
Ich ordne die Testamentsvollstreckung an. Als Testamentsvollstreckerin setze ich Frau F… ein. Frau F soll …. Ich verfüge, dass mein Sohn aus dem Erbe, soweit und solange möglich, monatliche Zahlungen i.H.v. 2.000,- € erhalten soll. Diese Anordnung gilt bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung ist bis zu diesem Tag befristet.
Essen, den 15. Februar 2014
Vorstehende Niederschrift wurde Frau H am 15. Februar 2014 gegen 8:15 Uhr im Klinikum F-T laut vorgelesen und von ihr uneingeschränkt gebilligt.
Genehmigt und unterschrieben: …“

Nach dem Tod der Erblasserin hat die Rechtsanwältin einen Erbschein beantragt, der den Sohn als Alleinerben und sie als Dauertestamentsvollstreckerin ausweisen sollte. Der Sohn ist dem Antrag entgegengetreten, er sei der Ansicht, dass das Nottestament unwirksam und er unbeschränkter Alleinerbe auf der Grundlage des Testaments aus dem Jahr 2013 geworden sei. Das Nachlassgericht hat nach einer Beweiserhebung dem Erbscheinsantrag der Rechtsanwältin stattgegebenen. Der Beschwerde des Sohnes half es nicht ab.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die statthafte Beschwerde des Sohnes ist begründet. Die Erbfolge richtet sich allein nach dem Testament aus dem Jahr 2013. Das Nottestament vom 15.02.2014 ist nicht wirksam errichtet worden. Das OLG ist der Ansicht, dass laut der Beweisaufnahme vor dem Nachlassgericht zumindest einer der drei Zeugen nicht subjektiv davon überzeugt war, dass sich die Erblasserin am 15.02.2014 in akuter Lebensgefahr befunden hat.

Hinzu kommt, dass das OLG entgegen den Feststellungen des Nachlassgerichts davon überzeugt ist, dass auch objektiv keine akute Todesgefahr bzw. eine Gefahr der Testierunfähigkeit bestanden hatte. Die Erblasserin verstarb erst vier Tage nach Testamentserrichtung. Eine Testierunfähigkeit bestand frühestens zwei Tage vor dem Tod.

Für eine nahe Todesgefahr reiche es nicht aus, dass die Lebenserwartung wegen einer nicht (mehr) heilbaren Erkrankung nur noch äußerst kurz bemessen ist. Entscheidend sei allein, dass aufgrund konkreter Umstände der Tod vor dem Eintreffen eines Notars zu befürchten ist.

Vorliegend war es nach Ansicht des OLG möglich, auch wenn es ein Samstag war, in einer Großstadt einen Notar mit der Beurkundung eines Testaments im Krankenhaus zu beauftragen. Insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass eine der Beteiligten eine Rechtsanwältin war. Letztlich moniert das OLG noch, dass überhaupt nicht versucht worden ist, einen Notar zu beauftragen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Zusammenfassend führt das OLG zum Drei-Zeugen-Testament i.S.d. § 2250 Abs. 2 BGB grundsätzlich wie folgt aus: Voraussetzung für die Wirksamkeit ist, dass „der Testierende sich in so naher Todesgefahr befindet, dass voraussichtlich weder die Errichtung eines Testaments vor einem Notar noch vor einem Bürgermeister nach § 2249 BGB möglich ist. Eine jederzeit drohende Testierunfähigkeit steht der Todesgefahr gleich, wenn sie voraussichtlich durchgängig bis zum Tode fortdauert.

Die derart nahe Gefahr des Todes bzw. der Testierunfähigkeit muss dabei entweder objektiv vorliegen oder subjektiv nach Überzeugung aller drei Testamentszeugen bestehen. Ist der Erblasser nur körperlich zu schwach, um ein eigenhändiges Testament errichten zu können, wird bei Fehlen der übrigen Voraussetzungen der Tatbestand des § 2250 BGB nicht erfüllt. Ein in einem Krankenhaus errichtetes Drei-Zeugen-Testament ist jedenfalls dann unwirksam, wenn der Besuch des Notars bei einem wachen, allseits orientierten Patienten hätte abgewartet werden können, weil ein Notar ohne weiteres hätte erreicht werden können.“

Praxishinweis

Grundsätzlich reicht es für ein Nottestament bzw. Drei-Zeugen-Testament aus, dass alle drei Zeugen subjektiv der vollen Überzeugung sind, dass eine nahe Todesgefahr vorliegt. Nur wenn mindestens ein Zeuge hiervon nicht vollends überzeugt ist, bedarf es dann dem objektiven Nachweis zum Vorliegen einer nahen Todesgefahr. Des Weiteren ist zu beachten, dass es für die Feststellung der nahen Todesgefahr auf den Zeitpunkt ankommt, in dem sich der Erblasser zur Errichtung des Testaments entschließt. Ob zuvor genügend Zeit für die Testamentserrichtung oder die Benachrichtigung eines Notars war, spielt dagegen für die Wirksamkeit eines Nottestaments keine Rolle.

OLG Hamm, Beschl. v. 10.02.2017 - 15 W 587/15

Quelle: Rechtsanwalt Ralf Mangold