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Vaterschaftsanfechtung trotz rechtlicher und sozialer Vaterschaft?

Eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu seinem rechtlichen Vater schließt eine Anfechtung durch den leiblichen Vater nicht aus, wenn dieser ebenfalls eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind hat und mit ihm in einer Familie zusammenlebt. Das hat das OLG Hamm entschieden und damit den  Anwendungsbereich des § 1600 Absatz 2 BGB zugunsten des leiblichen Vaters eingeschränkt.

Sachverhalt

Die Mutter lebte mit dem Mann, der die Vaterschaft für eines ihrer Kinder anerkannte, nie zusammen. Er kümmerte sich allerdings immer um das Kind. In der Zeit, in der die Mutter und er ein Paar waren, kam er nahezu täglich ins Haus und hatte dabei auch intensiven Kontakt zum Kind. Nach der Trennung bestand der Kontakt fort, und er führte ein Umgangsverfahren, das mit einer Vereinbarung schloss, aufgrund deren er das Kind vierzehntäglich am Wochenende sieht.

Der leibliche Vater lebt im Haushalt der Mutter und somit auch mit dem Kind zusammen. Er kümmert sich um das Kind, bringt es z.B. täglich in den Kindergarten und abends ins Bett. Er begehrt, dass statt des anderen Mannes er als der Vater des Kindes gilt.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das OLG entspricht dem Anliegen des leiblichen Vaters, d.h., es stellt fest, dass künftig der leibliche Vater auch der rechtliche Vater ist. In seiner Entscheidung lässt sich das OLG von der Überlegung leiten, dass es der grundsätzliche Wille des Gesetzgebers ist, dass die rechtliche und die biologische Vaterschaft zusammenfallen.

Das Problem des Falls besteht darin, dass gesetzlich festgeschrieben ist, dass der leibliche Vater die Vaterschaft des rechtlichen Vaters nur dann anfechten kann, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht. Hier hat der rechtliche Vater aber eine solche Beziehung zu dem Kind. Zwar lebte er zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mit dem Kind zusammen und sah es auch nicht täglich. Aber es besteht eine hinreichend enge Bindung, die sich auch daran zeigt, dass der rechtliche Vater ein Verfahren zur Regelung des Umgangsrechts geführt hat und seitdem den Umgang auch ausübt.

Die Besonderheit des Falls besteht darin, dass neben dem rechtlichen auch der leibliche Vater eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind hat. Das OLG ist der Ansicht, dass eine Vaterschaftsanfechtung durch den leiblichen Vater möglich ist, wenn sowohl der rechtliche als auch der leibliche Vater eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind hat. Dann kommt es darauf an, ob der leibliche Vater zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung diese Beziehung zu dem Kind hat und mit ihm in einer Familie zusammenlebt.

Folgerungen aus der Entscheidung

Es gibt keine Regel, nach der der leibliche Vater die Vaterschaft des rechtlichen Vaters nur dann anfechten kann, wenn dieser keine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind hat. Im Wege der Auslegung des Gesetzes hat das OLG vielmehr entschieden, dass bei einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem leiblichen Vater und dem Kind und einem Zusammenleben der beiden die Anfechtung möglich ist.

Praxishinweis

Das Kindschaftsrecht ist in der Diskussion. Es gibt eine Tendenz, die rechtlichen Verhältnisse an die tatsächlichen anzupassen. Diese Entscheidung macht es sich mit der Begründung nicht leicht und ist deshalb vertretbar. Das Kindschaftsrecht durch eine Änderung der Rechtsprechung zu reformieren, wäre aber falsch. Dazu ist der Gesetzgeber aufgerufen. Deshalb bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung Nachfolger findet.

OLG Hamm, Beschl. v. 20.07.2016 – 12 UF 51/16

Quelle: Dr. Lambert Krause