Ein Grundstück ist erst dann „erschlossen“, wenn der Vorteil, der sich aus der Anschlussmöglichkeit ergibt, in rechtlich und tatsächlich Hinsicht dauerhaft gesichert ist. Das hat das Verwaltungsgericht Halle entschieden. Erst dann entsteht bei Abwasserkanälen eine Beitragspflicht. Problematisch sind insoweit etwa Abwasserkanäle, die über Grundstücke Dritter verlaufen.
Darum geht es
Die klagende Stadt und der AZV streiten über das Recht zur Erhebung von Abwasserbeiträgen im Gemeindegebiet der Stadt. Die Klägerin ist zum 01.01.2013 dem beklagten AZV beigetreten. In dem hierzu geschlossenen Vertrag ist vereinbart, dass die Kompetenz zur die Abwasserbeseitigung sowie die Geltendmachung der hieraus entstehenden Forderungen bis zum 31.12.2012 unabhängig von dem Zeitpunkt, zu dem sie Geltend gemacht werden, bei der Stadt bleibt.
Mit Bescheid vom 18.12.2015 setzte der Beklagte für das klägerische Grundstück einen Abwasserbeitrag in Höhe von 9.057,60 € fest. Den Widerspruch der Klägerin wies sie zurück.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Verwaltungsgericht Halle hat die Bescheide des Beklagten aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Beitragspflicht sei noch nicht entstanden. Nach der Rechtsprechung sei ein Grundstück erst erschlossen, wenn der aus der Anschlussmöglichkeit resultierende Vorteil in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auf Dauer gesichert sei.
Dafür sei erforderlich, dass der erschließende Kanal von dem zu erschließenden Grundstück auf dem gesamten Weg bis zum Klärwerk ununterbrochen in seinem rechtlichen Bestand gesichert sei. Verlaufe er über Grundstücke, die im Eigentum Dritter stehen, so müsse der rechtliche Bestand durch die Eintragung einer Baulast oder Grunddienstbarkeit dauerhaft gesichert sein.
Anderenfalls fehle es an einer auf Dauer gesicherten Inanspruchnahmemöglichkeit. Die hiernach erforderliche rechtliche Sicherung könne auch nicht anderweitig, etwa durch eine Widmung ersetzt werden, da diese nicht dauerhaft das Leitungsrecht über Privatgrundstücke gewährleistet.
Hiernach sei im streitigen Fall die Beitragspflicht nicht entstanden. Der erschließende Kanal verlaufe zum Teil (Bereich der sog. Zöberitzer Gärten) in einer im Eigentum von Dritten stehenden Privatstraße, ohne dass der rechtliche Bestand durch die Eintragung einer Baulast oder Grunddienstbarkeit gesichert sei.
Damit komme es auf die weiteren gegen die Wirksamkeit der Satzung vorgebrachten Einwände nicht an. Der Beitragsanspruch sei bereits wegen der fehlenden rechtlichen Sicherung nicht entstanden. Da er aber auch erst ab der rechtlichen Sicherung des Kanals entstehen kann, die hier erst noch umzusetzen ist, kann er erst zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt entstehen. Dies hat zur Folge, dass der Beitragsanspruch bei der Klägerin schon deshalb nicht mehr entstehen kann, weil die Abwasserbeseitigungspflicht bereits zum 01.01.2013 auf den Beklagten übergegangen ist.
Der Beklagte dürfte demgegenüber nach Eintritt der rechtlichen Sicherung des fraglichen Kanalbereichs – unabhängig von den Fristen nach § 18 Abs. 2 und 13 b KAG LSA - die Möglichkeit der Beitragserhebung haben, weil diese nicht abläuft, bevor der Vorteil entstanden ist. Der Vorteil entsteht aber erst mit der rechtlichen Sicherung des öffentlichen Kanalnetzes.
Verwaltungsgericht Halle, Urt. v. 15.02.2018 - 4 A 75/16 HAL
Quelle: Verwaltungsgericht Halle, Pressemitteilung v. 03.04.2018