Baurecht -

Auslegung des Zuschlags nach einem verzögerten Vergabeverfahren

BGH, Urt. v. 22.07.2010 - VII ZR 129/09

Der BGH hat sich wiederholt mit der Frage befasst, ob dem Bauunternehmer ein Anspruch auf Mehrvergütung wegen einer Bauzeitverschiebung nach einem verzögerten öffentlichen Vergabeverfahren zusteht.

In seinem Grundsatzurteil vom 11.05.2009 (VII ZR 11/08) hat der BGH bereits entschieden, dass ein solcher Mehrvergütungsanspruch bestehen kann, wenn der Zuschlag ungeachtet der inzwischen verstrichenen in der Ausschreibung genannten Bautermine unverändert auf das Angebot erteilt worden ist.

Nunmehr hat der Senat zwei Fälle entschieden, in denen der Auftraggeber bereits im Zusammenhang mit dem Zuschlag Erklärungen zur nunmehr geltenden Bauzeit abgegeben hat.

Nach den neuesten Entscheidungen erfolgt ein Zuschlag in einem durch ein Nachprüfungsverfahren verzögerten öffentlichen Vergabeverfahren über Bauleistungen im Zweifel auch dann zu den ausgeschriebenen Fristen und Terminen, wenn diese nicht mehr eingehalten werden können und der Auftraggeber daher im Zuschlagsschreiben eine neue Bauzeit erwähnt.

Darum geht es:

In der Sache VII ZR 129/09 hatte das Oberlandesgericht die Klage der Auftragnehmerin auf Mehrvergütung abgewiesen, soweit diese nicht von der beklagten Auftraggeberin anerkannt worden sei. Die Grundsätze des Urteils des BGH vom 11.05.2009 fänden hier keine Anwendung, weil die Beklagte mit ihrem Zuschlag das Angebot der Klägerin nicht unverändert angenommen, sondern verbunden mit einem neuen Angebot (Bau zu anderen Zeiten) abgelehnt habe. Dieses neue Angebot habe die Klägerin zu den ursprünglichen Angebotspreisen angenommen. Raum für eine darüber hinaus gehende Vergütung bestehe daher nicht.

In der Sache VII ZR 213/08 hatte das Oberlandesgericht der Klage der Auftragnehmerin auf Mehrvergütung im vollen Umfang stattgegeben. Die Beklagte habe mit dem Zuschlag das ursprüngliche Angebot der Klägerin nicht unverändert angenommen, sondern unter dessen Ablehnung ein neues Angebot mit veränderten Ausführungsfristen unterbreitet (§ 150 Abs. 2 BGB). Dieses habe wiederum die Klägerin nicht unverändert akzeptiert, sondern mit der Auftragsbestätigung eine Mehrvergütung für die Verzögerung begehrt, die die Beklagte jedenfalls nicht habe verweigern dürfen.

Der Bundesgerichtshof hat in beiden Fällen die Berufungsentscheidung aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die jeweilige Auslegung der Erklärungen des Auftraggebers im den Zuschlag begleitenden Schreiben nicht interessengerecht erfolgt sei. Der Zuschlag erfolge in Fällen wie diesen im Zweifel auf das ursprüngliche Angebot des Bieters. Die Erwähnung einer neuen Bauzeit sei bei der gebotenen vergaberechtskonformen Auslegung im Zweifel nicht als abänderndes neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB* zu verstehen, sondern als Hinweis auf die danach notwendige Einigung der Parteien über eine neue Bauzeit. Damit schließt der Senat an die Grundsatzentscheidung vom 11.05.2009 an.

Da der Bundesgerichtshof diese Auslegung für konform mit den europarechtlichen Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften hält, hat er von der Vorlage an den Gerichtshof, wie sie die Revision in der Sache VII ZR 213/08 beantragt hatte, abgesehen.

Die jeweiligen Berufungsgerichte werden nunmehr über die Höhe des Anspruchs auf Mehrvergütung nach den Grundsätzen des § 2 Nr. 5 VOB/B erneut zu entscheiden haben.

Quelle: BGH - Pressemitteilung vom 22.07.10