Arbeitsrecht, Sozialrecht -

Übergang arbeitsvertraglicher Pflichten bei Betriebsübergang

Wird der Betrieb eines kirchlichen Arbeitgebers durch einen Betriebsübergang übernommen, tritt der neue Arbeitgeber in die arbeitsvertraglich vereinbarten Bindungen an das kirchliche Arbeitsrecht ein. Das hat das BAG entschieden. Liegt ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vor, haben der bisherige Inhabers und der Erwerber eine Reihe von Pflichten, die sie beachten müssen.

Sachverhalt

Ein Mann war beim Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche seit 1991 beschäftigt. Er war im Rettungsdienst tätig und hatte in seinem Arbeitsvertrag vereinbart, dass die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung gelten sollen. Dann kam es zu einem Betriebsübergang und ein kirchlich ungebundener Arbeitgeber übernahm den Betrieb in der Form einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH).

Diese gGmbH wollte aber nur die AVR mit Stand des Datums des Betriebsübergangs übernehmen und nicht etwaige Änderungen der AVR gelten lassen. Sie meinte nämlich, sie sei an die Regelungen nicht gebunden, da sie ja auch auf den Inhalt keinen Einfluss gehabt hätte. Dann wurde für die AVR beschlossen, dass eine Entgelterhöhung erfolgen sollte. Diese gab die gGmbH nicht an den Arbeitnehmer weiter und der zog vor das Arbeitsgericht.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das BAG entschied eindeutig, dass

  • die dynamische Geltung der AVR nicht davon abhängt, ob der Arbeitgeber ein kirchlicher ist oder nicht,
  • EU-Recht dem nicht entgegensteht und somit
  • der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Gehaltserhöhung auch gegenüber dem neuen, nicht kirchlich gebundenen Arbeitgeber hat.

Folgerungen aus der Entscheidung

Die dynamische arbeitsvertragliche Verweisung auf das kirchliche Arbeitsrecht gilt also auch nach dem Betriebsübergang weiter. Der Erwerber eines Betriebs tritt nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten des zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisses ein.

Dabei ist es unerheblich, ob ein Teil der weitergeltenden Pflichten die arbeitsvertraglich vereinbarte Bindung an das kirchliche Arbeitsrecht ist. Und wird in einem Arbeitsvertrag auf die AVR in der „jeweils geltenden Fassung“ verwiesen, verpflichtet diese dynamische Inbezugnahme jeden Erwerber, Änderungen der AVR – wie hier z.B. Entgelterhöhungen – im Arbeitsverhältnis auch umzusetzen.

Praxishinweis

Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein Betrieb oder ein Betriebsteil durch ein Rechtsgeschäft auf einen Dritten übergeht. Außerdem muss der veräußerte Betrieb(steil) fortgeführt werden. Ein Betrieb ist dabei die organisationstechnische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt.

Von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer sollen nach dem Willen des Gesetzgebers selbst entscheiden dürfen, ob sie zum Erwerber mitgehen möchten oder lieber beim bisherigen Arbeitgeber bleiben wollen. Eine solche Entscheidungsmöglichkeit setzt logischerweise voraus, dass die Mitarbeiter von dem geplanten Betriebsübergang wissen. Deshalb sieht § 613a Abs. 5 BGB eine Informationspflicht des bisherigen Inhabers bzw. des Erwerbers gegenüber den betroffenen Mitarbeitern vor.

Werden die betroffenen Mitarbeiter korrekt über den Betriebsübergang informiert, haben sie einen Monat Zeit, sich zu entscheiden. Wenn sie nichts tun, dem Betriebsübergang also nicht ausdrücklich widersprechen, gehen ihre Arbeitsverhältnisse automatisch auf den Erwerber über. Widersprechen sie hingegen schriftlich dem Erwerber oder dem Veräußerer gegenüber, bleiben sie beim alten Arbeitgeber.

Allerdings laufen diese Mitarbeiter dann Gefahr, dass der bisherige Arbeitgeber ihnen kündigt, weil es dort vermutlich keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für sie gibt. Die einmonatige Widerspruchsfrist läuft nur, wenn die Information vollständig den Vorgaben von § 613a Abs. 5 BGB entspricht. Ist das nicht der Fall, können die Mitarbeiter dem Übergang quasi unbegrenzt widersprechen!

Diese Punkte muss das Informationsschreiben enthalten:

  • Zeitpunkt, konkreten Ablauf und Umfang des Betriebsübergangs,
  • Rechtsgrund für den Übergang (z. B. Verkauf),
  • Information der Mitarbeiter über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen sowie über die in Aussicht genommenen Maßnahmen (z.B. Weiterbildungsmaßnahmen im neuen Betrieb).

Auch über das einmonatige Widerspruchsrecht ist zu informieren! Außerdem muss die Mitteilung rechtzeitig (mindestens einen Monat) vor dem geplanten Übergang in Textform (z.B. Brief oder E-Mail) erfolgen.

Waren die Arbeitsbedingungen eines betroffenen Mitarbeiters bisher durch einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung geregelt, werden die darin festgehaltenen Konditionen grundsätzlich Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Erwerber und dem übernommenen Arbeitnehmer.

Die tarifvertraglichen Regelungen bzw. jene aus einer Betriebsvereinbarung werden also faktisch in den Arbeitsvertrag übernommen (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB). Bis zum Ablauf eines Jahres ab dem Betriebsübergang darf dann zum Nachteil des Mitarbeiters keine Änderung dieser Konditionen erfolgen (§ 613a Abs. 1 Satz 4 BGB).

BAG, Urt. v. 23.11.2017 – 6 AZR 683/16

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader