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Arbeitsverträge: Wieviel Befristung ist möglich?

Gesetzliche Regelungen beschränken die Befristung von Arbeitsverträgen. Durch Tarifverträge und die Bezugnahme hierauf können die Möglichkeiten, Arbeitsverträge zu befristen, aber deutlich ausgeweitet werden. Das BAG hat entschieden, dass eine Höchstdauer von sechs Jahren und die neunmalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags durch Tarifvertrag zulässig sind.

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer schloss am 16.12.2011 einen befristeten Arbeitsvertrag. Danach wurde er für den Zeitraum vom 15.01.2012 bis zum 31.12.2013 bei einem Unternehmen der Energiewirtschaft als kaufmännischer Mitarbeiter eingestellt. Der Arbeitsvertrag enthält in § 11 Abs. 1 eine Bezugnahmeklausel. Danach finden unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit eines Arbeitnehmers die jeweils für das Unternehmen anwendbaren Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Die Regelungen in § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrages bestimmen als anwendbare Tarifverträge die von der Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V. (AVE) geschlossenen Mantel-, Entgeltrahmen- und Entgelttarifverträge.

Am 11.12.2013 vereinbarten die Parteien eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.03.2014. Beide Befristungen erfolgten als Zeitbefristungen unter Bezug auf § 14 Abs. 2 TzBfG i. V. m. Ziffer 2.3.1. des einschlägigen MTV. Ziffer 2.3.1. MTV lautet:

„Höchstzulässige Befristungsdauer und Anzahl der Verlängerung
Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens fünfmalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig.“

Mit Klage vom 27.02.2014 hat der Angestellte die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 11.12.2013 zum 31.03.2014 beendet wird. Das ArbG Essen hat die Klage mit Urteil vom 17.07.2014 (5 Ca 590/14) abgewiesen, das LAG Düsseldorf hat die dagegen gerichtete Berufung des Angestellten mit Urteil vom 09.12.2014 (17 Sa 892/14) zurückgewiesen. Die zugelassene Revision hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Eine tarifliche Regelung, die eine sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren bei fünfmaliger Verlängerungsmöglichkeit zulässt, ist wirksam.

Nach § 14 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer darf ein befristeter Vertrag nach § 14 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 TzBfG höchstens dreimal verlängert werden. Nach § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG können durch Tarifvertrag die Anzahl der Verlängerungen und die Höchstdauer der Befristung abweichend festgelegt werden.

Diese Befugnis der Tarifvertragsparteien gilt aus verfassungs- und unionsrechtlichen Gründen nicht schrankenlos. Der durch § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG eröffnete Gestaltungsrahmen der Tarifvertragsparteien ermöglicht nur Regelungen, durch die die in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG genannten Werte für die Höchstdauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags und die Anzahl der möglichen Vertragsverlängerungen nicht um mehr als das Dreifache überschritten werden.

Folgerungen aus der Entscheidung

Der Gesetzgeber hat nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG die gesetzliche Beschränkung der kalendermäßigen Befristung auf die Höchstdauer von zwei Jahren bei höchstens dreimaliger Verlängerung vollständig der Disposition der Tarifvertragsparteien eröffnet. Mit der vorliegenden Entscheidung steht fest, dass das sprachlich nicht eindeutige „oder“ in § 14 Abs. 2 Satz 3TzBfG als inklusives („und/oder“), nicht als exklusives („entweder/oder“) „oder“ auszulegen ist.

Das BAG hatte bereits mit Urteil vom 15.08.2012 (7 AZR 184/11) festgestellt, dass die Gestaltungsbefugnis der Tarifparteien beschränkt ist, konnte die exakte Bestimmung dieser Schranken aber dahingestellt sein lassen. Im Urteil vom 18.03.2015 (7 AZR 272/13) hatte es eine tarifvertragliche Regelung, die die zulässige Höchstdauer sachgrundlos befristeter Arbeitsverhältnisse auf 48 Monate und die Anzahl der zulässigen Verlängerungen auf sechs festlegt, für wirksam befunden. Mit der vorliegenden Entscheidung zieht das BAG klare Grenzen. Die Tarifparteien dürfen eine Höchstdauer der Befristung von sechs Jahren vereinbaren und die Möglichkeit vorsehen, einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag innerhalb der sechsjährigen Frist bis zu neunmal zu verlängern.

Praxishinweis

Die Bezugnahmeklausel unterliegt keiner AGB-Kontrolle. Durch die Klausel finden die Regelungen des Tarifvertrages lediglich einzelvertraglich auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Tarifverträge stehen gem. § 310 Abs. 4 S. 3 BGB Rechtsvorschriften i.S.v. § 307 Abs. 3 BGB gleich (BAG, Urt. v. 23.07.2014 – 7 AZR 771/12). Die Bezugnahmeklausel enthält damit keine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung. Die einzige Möglichkeit, in Sachverhalten wie dem vorliegenden als Arbeitnehmer zu obsiegen, besteht in der Herbeiführung einer Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV. Der Weg zum EuGH führt nach der vorliegenden Entscheidung nicht über das BAG, sondern über die Instanzgerichte. Mehr als die apodiktische Feststellung, die tariflichen Regelungen seien unionsrechtskonform, enthalten die Entscheidungen des BAG nicht. Diese Wertung ist nicht zwingend.

BAG, Urt. v. 26.10.2016 - 7 AZR 140/15

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber