Allein die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schließt eine Versetzung durch den Arbeitgeber nicht aus. Das hat das BAG entschieden. Insbesondere Versetzungsklauseln können deshalb auch nach Jahren eines unveränderten Einsatzortes noch greifen. Allerdings muss der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung ggf. auch außervertragliche Umstände beachten.
Sachverhalt
Eine Arbeitnehmerin und eine Fluggesellschaft vereinbarten 1996 einen Arbeitsvertrag. Die Frau wurde als Flugbegleiterin in Vollzeit zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt 4.281,55 € brutto beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag wurde die Frau jahrelang im Bereich Kabinenbesatzung in Hamburg beschäftigt. Es befand sich im Arbeitsvertrag aber auch der Passus, dass die Arbeitgeberin sie „an einem anderen Ort sowie vorübergehend bei einem anderen Unternehmen einsetzen“ kann.
Im Jahr 2014 erfolgte dann durch die Arbeitgeberin eine Versetzung der Arbeitnehmerin nach Frankfurt am Main. Mit ihr wurden auch alle anderen bisher in Hamburg stationierten Flugbegleiterinnen versetzt. Die Arbeitgeberin hatte die unternehmerische Entscheidung getroffen, den direkten Flugverkehr strukturell zu reformieren und einen erheblichen Teil der Flüge nicht mehr selbst durchzuführen sowie die meisten dezentralen Stationierungsstandorte, darunter den Stationierungsstandort Hamburg, vollständig zu schließen.
Gegen diese Versetzung klagte die Flugbegleiterin und meinte, die Versetzung sei unwirksam. Der Einsatzort in Hamburg habe sich über Jahre verfestigt. Außerdem sei die arbeitsvertragliche Klausel intransparent, weil sie nicht zwischen den verschiedenen Örtlichkeiten (Dienstort, Einsatzort, Arbeitsort) unterscheide. Außerdem habe die Arbeitgeberin ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Das BAG hat die Versetzung als rechtswirksam eingestuft. Insbesondere waren die vertraglichen Regelungen wirksam und ließen eine Versetzung der Flugbegleiterin an einen anderen Einsatzort auch zu. Eine Konkretisierung der Beschäftigung in Hamburg war nicht eingetreten.
Die Rechtsgrundlage für die Versetzung entnahmen die Richter aus § 106 GewO, § 315 Abs. 3 BGB. Die Bestimmung eines Ortes der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung.
Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB beruht, war zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Nach diesen Grundsätzen enthielt der Arbeitsvertrag keine abschließende Regelung des Einsatzortes. Wichtig: Damit war klargestellt, dass die Bestimmung des Einsatzortes im Vertrag lediglich die erstmalige Ausübung des Weisungsrechts darstellte.
Der Arbeitsvertrag hatte sich auch nicht im Hinblick auf den Einsatzort auf Hamburg konkretisiert, obwohl die Arbeitnehmerin bis zur Versetzung nach Frankfurt am Main rund 17 Jahre dort tätig gewesen war. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung hatten die Parteien nicht – auch nicht stillschweigend – getroffen. Alleine die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum genügt dafür nämlich nicht.
Auch hatte die Arbeitgeberin die Grundsätze billigen Ermessens bei der Versetzungsanordnung ordnungsgemäß ausgeübt. Dem Gericht oblag nach § 315 Abs. 3 S. 1 BGB die Prüfung, ob die Arbeitgeberin die Grenzen ihres Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kam es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt.
Beruht die Weisung wie hier auf einer unternehmerischen Entscheidung, kommt dieser ein besonderes Gewicht zu. Das unternehmerische Konzept ist dabei nach dem BAG nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Und eine willkürliche oder rechtsmissbräuchliche Entscheidung durch die Arbeitgeberin konnte das BAG nicht feststellen.
Auch eine soziale Auswahl – wie im Fall einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 3 KSchG – findet bei der Versetzung gerade nicht statt.
Zu guter Letzt hatte die Arbeitnehmerin vielleicht auch nicht genügend vorgetragen oder nicht genügend vortragen können: Denn unzumutbare persönliche, familiäre oder sonstige außervertraglich entstandene Belastungen wurden von ihr nicht geltend gemacht. Auch weitere Umstände, weshalb die Arbeitgeberin auf die Möglichkeit der Versetzung hätte verzichten können, hat die Arbeitnehmerin nicht aufgezeigt. Ein dauerhafter Einsatz der Arbeitnehmerin mit dem Stationierungsort Hamburg war mit der unternehmerischen Entscheidung, die auch so umgesetzt worden war, nicht vereinbar.
Folgerungen aus der Entscheidung
Beinhaltet also ein Arbeitsvertrag eine rechtsgültige Versetzungsklausel, kann ein Arbeitnehmer auch nach Jahren einer bestimmten Tätigkeit noch versetzt werden. Dabei ist zu beachten, dass der Begriff „Versetzung“ nicht nur eine örtliche Dimension hat. Das ursprünglich bestandene Direktionsrecht kann nur dann eingeschränkt werden, wenn weitere Geschehnisse hinzutreten, aus denen der Arbeitnehmer entnehmen kann, nur noch mit einer bestimmten Tätigkeit oder an einem bestimmten Ort beschäftigt zu werden. Allein der Zeitablauf reicht hierfür nicht aus.
Praxishinweis
Die Arbeitnehmerin hätte u.U. die Ermessensentscheidung weiter angreifen können. Das BAG gibt in der Entscheidung Hinweise, wie ein Arbeitnehmer argumentieren könnte:
- Es sollten von betroffenen Arbeitnehmern unzumutbare persönliche, familiäre oder sonstige außervertraglich entstandene Belastungen ins Feld geführt werden.
- Zudem sollten von Arbeitnehmern „weitere Umstände“ angegeben werden, weshalb Arbeitgeber auf eine Versetzung verzichten könnten.
BAG, Urt. v. 30.11.2016 - 10 AZR 11/16
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader