In einem Zwangsvollstreckungsverfahren hat das Arbeitsgericht zwar nicht über den Zeugnisinhalt zu entscheiden. Ein polemisches bzw. betont ironisches Zeugnis genügt aber nicht den Mindestanforderungen an ein Arbeitszeugnis. In einem solchen Fall ist noch kein Zeugnis erteilt worden. Das hat das LAG Köln entschieden. Die Folgen muss in solchen Fällen der Arbeitgeber tragen.
Sachverhalt
Die Arbeitnehmerin und ihr Arbeitgeber hatten sich gerichtlich über eine Kündigung gestritten. Der Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich beendet und gleichzeitig wurde geregelt, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, der Arbeitnehmerin ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.
Genau dieser Verpflichtung kam der Arbeitgeber allerdings dann nicht nach. Die Arbeitnehmerin beantragte deshalb die Festsetzung eines Zwangsgelds beim ArbG. Sollte das Geld nicht beigetrieben werden können, sollten die Geschäftsführer ersatzweise in Zwangshaft gehen. Das ArbG setzt ein solches Zwangsgeld fest und der Arbeitgeber legte dagegen eine Beschwerde ein.
Während dieses Beschwerdeverfahrens erhielt die Arbeitnehmerin dann tatsächlich ein Schreiben mit folgendem Inhalt:
„Aktenzeichen 7 Ca 2005/16 oder 413/15T der Kanzlei L
Zeugnis
Fr. N H war bei uns als Gebäudereinigungskraft, speziell im Objekt A Arkaden, eingesetzt. Geschlechter bezogen war Frau H sehr beliebt.
Ihre Aufgaben hat Frau H nach Anweisungen sehr bemüht erledigt. Die Anstrengungen Ihrer Tätigkeit hat Fr. H sehr regelmäßig mit Schöpferpausen bedacht und Ihre Arbeitszeiten nach Ihren Anforderungen ausgeführt.
Wir wünschen Fr. H für die Zukunft alles Gute.“
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Das LAG half der Beschwerde nicht ab. Die Festsetzung des Zwangsgeldes und ersatzweise der Zwangshaft durch das ArbG war nicht zu beanstanden. Denn der Arbeitgeber war seiner Verpflichtung aus dem gerichtlichen Vergleich zur Erteilung eines Zeugnisses noch gar nicht nachgekommen.
Zwar wird im Rahmen der Zwangsvollstreckung regelmäßig nur geprüft, ob überhaupt ein Zeugnis erteilt wurde oder nicht. Einen ganz bestimmten Inhalt kann der Arbeitnehmer gerade nicht im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens erzwingen. Dann hat er im Zweifelsfall nochmals eine neue Klage einzureichen.
Hier lag der Fall aber anders: Ein Zeugnis, das so polemisch, grob unsachlich und ironisch verfasst wurde und bei dessen Vorlage sich der Arbeitnehmer der Lächerlichkeit preisgeben würde, erfüllt nicht die Mindestanforderungen an die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses.
Genauso wie ein Zeugnis, das keine Leistungsbeurteilung enthält, kein Zeugnis im Rechtssinne ist, kann für das hier erteilte „Zeugnis“ nichts anderes gelten. Das Zeugnis ist letztendlich für die Arbeitnehmerin wertlos.
Das LAG urteilte deutlich, dass das Schreiben lediglich aus diskreditierenden Äußerungen über die Arbeitnehmerin, die ihr Persönlichkeitsrecht verletzten, bestand. Selbstverständlich gehört kein gerichtliches Aktenzeichen in ein Arbeitszeugnis. Auch der Hinweis auf einen geführten Rechtsstreit, auch noch im Fettdruck herausgestellt, hat in einem Arbeitszeugnis nicht zu suchen.
Die Ausführungen zu einer geschlechterbezogenen Beliebtheit der Arbeitnehmerin und den angeblichen Schöpferpausen diskreditieren die Arbeitnehmerin unangemessen, sind polemisch und gehören offensichtlich nicht in ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis. Gleiches gilt im Übrigen für die zahlreichen Orthographiefehler.
Das LAG urteilte, dass das vorinstanzliche Arbeitsgericht völlig zu Recht das „Zeugnis“ als „Provokation“ bezeichnet hat.
Folgerungen aus der Entscheidung
Ironische und polemische Zeugnisse haben in der Arbeitswelt nichts verloren. Gerichte werten solche Zeugnisse als „Nicht-Zeugnis“, mit sämtlichen kostenrechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Rechtsfolgen. Wird ein solches „Zeugnis“ trotz einer titulierten Verpflichtung erteilt, ist das Arbeitsgericht berechtigt, ein Zwangsgeld und ersatzweise Zwangshaft anzuordnen.
Praxishinweis
Es gibt also vier Fälle, in denen die Arbeitsgerichte auf Antrag ein Zwangsgeld und ersatzweise Zwangshaft beschließen:
- Es gibt für den Arbeitnehmer einen titulierten Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses – sei es einen Vergleich oder einem Urteil – und der Arbeitgeber kommt seiner Verpflichtung nicht nach.
- Bei einer entsprechenden Verpflichtung wird – wie in diesem Fall – lediglich ein ironisches und polemisches „Zeugnis“ erteilt.
- Der Arbeitgeber weicht von einem bestimmten Zeugnistext ab, auf den sich entweder beide Parteien geeinigt haben oder der sich konkret aus einem Urteil ergeben hat.
- Beide Parteien haben sich darauf geeinigt, dass der Arbeitnehmer einen Zeugnisentwurf vorlegen darf und der Arbeitgeber ohne wichtigen Grund von diesem Entwurf nicht abweichen darf. Somit hat der Arbeitgeber die Befugnis zur Erteilung eines Zeugnisses auf den Arbeitnehmer übertragen. Stellt er dann das gewünschte Zeugnis dennoch nicht aus, kann ebenfalls durch das Arbeitsgericht auf Antrag des Arbeitnehmers ein Zwangsgeld festgesetzt werden.
LAG Köln, Beschl. v. 14.02.2017 - 12 Ta 17/17
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader