Verliert ein Verkehrsteilnehmer sein Vorfahrtsrecht dadurch, dass er sich selbst verkehrswidrig verhält?
Das Kammergericht hat diese Frage verneint und in dem Beschluss vom 03.12.2007 den Berufungskläger darauf hingewiesen, dass sein Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg habe.
Dem Rechtsstreit lag ein Verkehrsunfall zwischen zwei Kraftfahrzeugen im Kreuzungsbereich zugrunde. Der Kläger beabsichtigte in der Kreuzung nach links abzubiegen und hatte zu diesem Zweck bereits die Fahrtlinie des Gegenverkehrs teilweise gekreuzt. Aus der Gegenrichtung fuhr der Beklagte ebenfalls in die Kreuzung ein, beabsichtigte die Kreuzung geradeaus zu überqueren und benutzte hierzu verbotswidrig einen als „Busspur“ gekennzeichneten Sonderfahrstreifen.
Das Landgericht hat in der ersten Instanz der Klage unter Berücksichtigung einer hälftigen Mithaftung stattgegeben. Mit der Berufung verfolgte der Kläger seiner Anspruch in voller Höhe weiter.
Das Kammergericht hat seinen Beschluss im Wesentlichen wie folgt begründet:
Zunächst einmal war der Kläger als Linksabbieger nach § 9 Abs. 3 S. 1 StVO ehr. Hiervon ist auch das Landgericht zutreffend ausgegangen. Der Umstand, dass der Kläger bereits die Fahrtlinie des Gegenverkehrs teilweise gekreuzt hatte, und Fahrzeuge auf dem zweiten und dritten Fahrstreifen auf ihr Vorfahrtsrecht verzichtet hatten, führt nicht dazu, dass dieser Verzicht auf alle Bevorrechtigten erstreckt wird. Der Vorfahrtsberechtigte darf darauf vertrauen, dass sein Recht beachtet wird. Er muss nicht mit einem sorgfaltswidrigen Verhalten eines Wartepflichtigen rechnen.
An dieser Bewertung ändert sich auch nichts dadurch, dass der Beklagte verbots- und ordnungswidrig einen gekennzeichneten Sonderfahrstreifen benutzt hat. Die Wartepflicht des Linksabbiegers hängt nicht von der Fahrstreifenwahl des Gegenverkehrs oder dessen Berechtigung zur Benutzung eines Sonderfahrstreifens ab. Bezüglich des Sonderfahrstreifens ist für den Linksabbieger die Beschilderung häufig gar nicht zu erkennen, so dass er auch nicht erkennen kann, ob sich der im Gegenverkehr befindliche Fahrer verbotswidrig verhält. Die Vorschriften über den Sonderfahrstreifen sind damit kein Schutzgesetz zu Gunsten sorgfaltswidriger Linksabbieger.
Der sich verbotswidrig verhaltende Kraftfahrer verliert durch sein Verhalten nicht das ihm zustehende Vorfahrtsrecht.
Quelle: Rechtsanwalt Hans-Helmut Schaefer - Beitrag vom 10.05.08