Verkehrsrecht -

Verunsicherung rund um die „Roten Kennzeichen“

Im Frühjahr hat das bayrische Ministerium des Inneren eine Pressemitteilung herausgegeben, die aussagte, durch die seit dem 01.03.2007 geltende „Fahrzeug-Zulassungsverordnung“ (FZV) sei das Recht rund um die Roten Kennzeichen, die den Kfz – Betrieben zur dauerhaften Verwendung ausgegeben werden, verschärft worden. Insbesondere müsse nunmehr stets ein Angehöriger des Betriebes mit im Fahrzeug sein, wenn es mit den roten Kennzeichen bewegt werde.

Die Pressemitteilung ist inhaltlich falsch, hat aber für erhebliche Unruhe gesorgt.

Mit der „Fahrzeug-Zulassungsverordnung“ ist lediglich das in verschiedenen Rechtsquellen verstreut gewesene Fahrzeugzulassungsrecht in einer einzigen Verordnung zusammengefasst worden. Die roten Kennzeichen sind nun in § 16 FZV geregelt. Sogar die offizielle Begründung des Bundesrates sagt aus, dass das nur der Übersichtlichkeit dienen soll.

Die Unruhe unter den Kfz – Profis ist allerdings verständlich, denn eine zweckwidrige Verwendung der roten Kennzeichen kann zu deren Entzug führen. Damit wäre jeder Autohändler und jede Werkstatt, die es trifft, nicht mehr wettbewerbsfähig. Gleichzeitig birgt ein Verstoß gegen die erlaubten Verwendungszwecke auch das Risiko des teilweisen oder im Extremfall vollständigen Verlustes des Versicherungsschutzes. Die typischen Versicherungsverträge beziehen sich nämlich auf die zulassungsrechtlichen Regeln.

Im  Verordnungstext ist noch immer und eindeutig unverändert von den drei erlaubten Verwendungszwecken der roten Nummer für „Prüfungs-, Probe- und Überführungsfahrten“ die Rede.

Prüfungsfahrten sind solche für amtliche Fahrzeuguntersuchungen (Hauptuntersuchung etc.). Die sind im Alltag unkritisch.

Brisanter sind die Probefahrten. Die Bandbreite ist groß: Mit dem Verkäufer „zwei mal um’s Eck“ oder Intensivprobefahrt übers Wochenende ohne den Verkäufer, alles das kennt der Alltag.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat inzwischen in einem Schreiben an den Bundesverband der Dienstleistungswirtschaft BDWi klargestellt, dass eine Begleitung durch einen Mitarbeiter des Kennzeicheninhabers nicht erforderlich ist.

Es ist auch nicht erforderlich, dass das Probe zu fahrende Fahrzeug im Eigentum des Kennzeicheninhabers steht. Lediglich ist ein Bezug zum Betrieb gefordert. Gehört das Fahrzeug beispielsweise noch dem Hersteller oder ist es Kommissionsware, darf es mit den roten Nummern des in den Verkauf eingeschalteten Betriebes gefahren werden.

Allerdings – aber das ist nicht neu und war schon unter der alten Rechtsnorm § 28 StVZO so  - muss es sich um eine Probefahrt handeln. Das vielfältig zu beobachtende schlichte Verleihen der roten Kennzeichen an Dritte (zum Oldtimer-Spazierenfahren etc.) ist unzulässig.

Auch bei Überführungsfahrten muss kein Betriebsmitarbeiter dabei sein. Überführungsfahrten sind Fahrten von einem Standort des nicht zugelassenen Fahrzeugs zu einem anderen.

Auch dabei muss das Fahrzeug nicht im Eigentum des Kennzeicheninhabers stehen. Auch hier ist aber wieder ein Bezug zum Betrieb erforderlich.

In einem vom LG Berlin (SP 2004, 349) beurteilten Sachverhalt hatte ein Kunde das Fahrzeug vor dem Wochenende gekauft. Er konnte es erst am Montag anmelden, wollte es bis dahin aber bereits nutzen. Der Verkäufer hat das rote Kennzeichen für das anstehende Wochenende dem Kunden „ausgeliehen“. Prompt geschah am Wochenende ein Unfall und der Versicherer verweigerte die Zahlung. Das LG Berlin hat ihm Recht gegeben, denn die Überführungsfahrt war allenfalls die Fahrt vom Betrieb nach Hause, und für eine Probefahrt war es nach dem Kauf zu spät.

Im Gegensatz dazu hat das OLG Düsseldorf (Urteil vom 06.08.2004 - 22 U 20/04, unveröffentlicht) die Versicherung hinter dem Roten Kennzeichen zur Zahlung verurteilt, als ein Unfall zwar nach dem Kauf des Fahrzeuges geschah, aber eben auf der Strecke vom Händler zum Kunden nach Hause. Damit liegt eindeutig eine Überführungsfahrt vor, die auch noch im Interesse des verkaufenden Betriebes liegt. Dem Kunden die Fahrt mit dem noch nicht zugelassenen Fahrzeug nach Hause zu ermöglichen (und die zur Zulassungsstelle) gehört zum Verkaufsakt im engeren Sinne.

Als außerhalb des Handels liegendes Beispiel mag dienen: Der Kunde hat ein nicht zugelassenes Fahrzeug zu Hause, das er nun wieder in Betrieb nehmen will. Zuvor sind Reparaturen erforderlich. Zu diesem Zwecke überführt er sein Auto mit den roten Kennzeichen der Werkstatt in deren Betrieb. Auch hier liegt der Bezug in der durchzuführenden Reparatur.

Ein Negativbeispiel ist Folgendes einer ständigen Kooperation zweier Betriebe entspringendes:

Zwei Autohäuser tauschten ständig Gebrauchtfahrzeuge aus, damit die jeweiligen Ausstellungen nicht über längere Zeit gleich aussahen. Der Transport eines Gebrauchten von dem einem zum anderen Betrieb ist eine Überführungsfahrt, und das hätte jeder Betrieb auch mit dem Kennzeichen des anderen Betriebes tun dürfen, denn ein Bezug zum Unternehmenszweck besteht wechselseitig. Weil aber das eigene Rote Kennzeichen bereits anderweitig gebraucht wurde, hat einer der beiden Betriebe vom anderen ein Kennzeichen ausgeliehen, um ein eigenes Fahrzeug einem eigenen Kunden vorzuführen. Auf dieser Fahrt kam es zu einem Unfall. Das OLG Stuttgart (VersR 2001, 1375) hat der Versicherung Recht gegeben, die die Leistung verweigert hatte. Leistungsfreiheit bedeutet für den Haftpflichtfall, dass die Versicherung zwar dem Dritten gegenüber zahlt, dann aber im Innenverhältnis regressiert. Unter Kaskogesichtspunkten muss die Versicherung dann von vorneherein nicht bezahlen.

Ein krasser Fall Missbrauchsfall mit eklatanten Folgen ist vom BGH mit Urteil vom 28.06.2006, VI ZR 316/04 (www.bundesgerichtshof.de) entschieden: Ein Autohändler hat einem Kunden einen Pkw verkauft. Er hat ihm dann seine roten Kennzeichen für die Überführung des nicht zugelassenen Wagens nach Hause zur Verfügung gestellt. Eine solche Überführungsfahrt ist  vom Einsatzzweck der roten Nummern gedeckt. Auch die Nutzung durch einen Betriebsfremden ist zulässig, wenn ein irgendwie gearteter Bezug zum Betrieb besteht. Der erforderliche Zusammenhang liegt hier im Verkauf des Fahrzeugs.

Weil es sich bis dahin um einen nicht zu beanstanden Einsatz der Kennzeichen handelt, wäre ein Unfall auf dieser Überführungsfahrt zweifelsfrei vom Versicherer des Betriebes gedeckt.

Zu Hause angekommen, hat der Kunde dann aber ohne Wissen und Billigung des Händlers die Kennzeichen an ein anderes ihm gehörendes Auto montiert und hat damit schlicht am Straßenverkehr teilgenommen. Dabei fehlt es schon an einem legalen und damit versicherten Einsatzzwecke, denn das ist weder eine Probefahrt, eine Prüfungsfahrt, noch eine Überführungsfahrt.

Zusätzlich fehlt es am erforderlichen Bezug zum Betrieb des Kennzeicheninhabers.

Das Problem des Falles lag  in der (völlig üblichen) Formulierung im Versicherungsvertrag. Danach besteht Versicherungsschutz für alle „Fahrzeuge, wenn und solange sie mit einem dem Versicherungsnehmer von der Zulassungsstelle zugeteilten amtlich abgestempelten roten Kennzeichen …. versehen sind“.

Als der Kunde des Versicherungsnehmers mit dem Fahrzeug unter erheblichem Alkoholeinfluss einen äußerst folgenschweren Unfall verursachte, war das Kennzeichen an dem betreffenden Fahrzeug befestigt. Deshalb machten die Geschädigten bei dem hinter dem roten Kennzeichen stehenden Versicherer direkt ihre Ansprüche geltend. Es darf zwanglos angenommen werden, dass beim Schädiger selbst Nichts, jedenfalls nichts Ausreichendes „zu holen war“.

Die Versicherung bekam aber vom BGH Recht: Sie muss für die finanziellen Unfallfolgen nicht eintreten. Wenn, so die Begründung, ein Fahrzeug nie zum Bestand des Händlers gehört hat, sondern nur wegen des eigenmächtigen Verhaltens eines Dritten etwa auch eines Kennzeichendiebes, mit roten Kennzeichen versehen ist, die die Kraftfahrzeugzulassungsstelle dem Versicherungsnehmer zugeteilt hat, erstreckt sich der Versicherungsschutz nicht darauf.

Nota bene: Der Geschädigte ging leer aus. Die Versicherung war also sogar im Außenverhältnis nicht verpflichtet.

Analysiert man die Urteilsgründe, geht es um zwei Merkmale:

1. Die fehlende Zugehörigkeit zum Betrieb
2. Die eigenmächtig missbräuchliche Nutzung durch den Übeltäter

Das Urteil lässt ausdrücklich offen, ob diese beiden Merkmale nur zusammen den Versicherer befreien, oder ob auch jedes für sich genügt.

Ob also jedenfalls dann Versicherungsschutz bestünde, wenn der Betriebsinhaber selbst ein Fahrzeug, das keinerlei Bezug zum Betrieb hat, mit dem Kennzeichen versieht, musste der BGH nicht entscheiden, denn darauf kam es in dem konkreten Fall nicht an. Allerdings weist er in dem Urteil darauf hin, dass das OLG Stuttgart eine solche Frage bereits verneint hat.

Unabhängig von der vom Bayrischen Ministerium des Inneren verursachten Unruhe der über das Ziel hinaus schießenden Pressemitteilung ist also große Vorsicht im Umgang mit den Roten Kennzeichen geboten.

Neben dem Risiko des Verlustes jeglichen Versicherungsschutzes darf es wohl als Petitesse gelten, dass die Benutzung eines nicht zugelassenen Fahrzeuges, das wegen Zweckwidrigkeit auch über das rote Kennzeichen nicht am Verkehr teilnehmen darf, ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Kraftfahrzeugsteuer ist und damit eine Steuerverkürzung darstellt. 

Quelle: Ass. jur. Joachim Otting - Beitrag vom 27.09.07