Verkehrsrecht -

46. Verkehrsgerichtstag in Goslar

Vom 23. bis zum 25.01.2008 fand in der beschaulichen Kaiserstadt Goslar der alljährliche Verkehrsgerichtstag statt.

Seit 1963 wird hier nunmehr den Experten aus den Bereichen Verkehrsrecht, Verkehrssicherheit, Fahrzeugtechnik und Verkehrstechnik ein Forum geboten, dessen Abschlussempfehlungen zu verkehrsrechtlichen Fragen regelmäßig Gehör bei der Legislative finden.

Nicht nur nebenbei bietet sich dabei die vortreffliche Gelegenheit, den Austausch zwischen Anwaltschaft, Versicherern, Justiz und Sachverständigen zu befördern und Netzwerke zu knüpfen. Auch dieses Jahr waren wieder rund 1500 Teilnehmer der Einladung der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft gefolgt.

Eröffnung
Beim Festakt zur Eröffnung begrüßte der Präsident der Akademie, Generalbundesanwalt a.D. Kay Nehm die Teilnehmer im vollbesetzten Saal der historischen Kaiserpfalz. In seiner launigen Ansprache würdigte er die Verdienste der des Verkehrszentralregisters, dessen Einführung sich am 02.01. zum fünfzigsten Mal jährte. Eher skeptisch beurteilte er die vom Verkehrsministerium angedachten punktuellen Erhöhungen von Bußgeldern. Kritisch setzte er sich auch mit dem Rahmenbeschluss 2005/214/JI des europäischen Rates zur grenzüberschreitenden Beitreibung von Geldstrafen (und Bußgeldern) auseinander. So gebe es wegen der erheblichen Unterschiede im Sanktionierungsverhalten und im Verfahrensrecht der einzelnen Mitgliedstaaten erheblichen Diskussionsbedarf bei der Umsetzung. Letztlich plädierte er jedoch für die Umsetzung und eine gewisse Toleranz gegenüber den europäischen Partnern, um eine privatwirtschaftlich organisierte Beitreibung zu verhindern. Zudem griff Nehm den von der SPD gefassten Parteitagsbeschluss auf, ein deutschlandweites Tempolimit einzuführen. Er plädierte für eine größere Aufrichtigkeit in der Debatte, die sich bisher erstaunlich unsachlich „im seichten Wasser individueller Glaubensüberzeugungen“ bewege. Er mahnte wissenschaftliche Untersuchungen zu den einzelnen Aspekten der Diskussion an.

Ein besonderes Gespür für Aktualität hat die Akademie in diesem Jahr übrigens bei der Auswahl des Referenten für den Plenarvortrag bewiesen. Für das Thema „Das Kraftfahrzeug im Steuerrecht“ war Prof Dr. h.c. Wolfgang Spindler angereist, der Präsident de Bundesfinanzhofes in München, ebenjenes Gericht, welches nur Tage zuvor die Pendlerpauschale für verfassungswidrig befunden hatte.

Empfehlungen der Arbeitskreise
Im Zentrum der Veranstaltung standen wie immer die acht Arbeitskreise, die sich mit aktuellen verkehrswissenschaftlichen Themen befassten. Nach den Vorträgen und den anschließenden Podiumsdiskussionen standen in jeder Gruppe eine Reihe von Empfehlungen zur Debatte und Abstimmung. Wie schon so häufig werden die Ergebnisse dieser Abstimmungen Verkehrsrecht und Verkehrsrechtspraxis prägen.

Der Arbeitskreis I „Personschadensmanagement“ beschäftigte sich mit dem professionellen Reha-Management. Er empfiehlt der Anwaltschaft, ihrer Arbeit den von der ARGE Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein 2001 verabschiedeten Code of Conduct des Reha-Managements zugrundezulegen. (siehe auch: Lang in NZV 2008, S. 19.)

Der Arbeitskreis II “Psychische Schäden als Unfallfolgen“ mahnt in seinen Empfehlungen die Erarbeitung von Standards für die Begutachtung psychischer Schäden in der Regulierung von Unfällen an. (siehe auch: Born, Rudolf u. Becke in NZV 2008, S. 1; Huber in SVR 2008, S.1)

Wie schon Kay Nehm widmete sich der Arbeitskreis III „Verkehrssanktionen in der EU“, an dem auch der Verfasser teilgenommen hat, dem EU-Rahmenbeschluss zur grenzüberschreitenden Vollstreckung von Geldsanktionen. Zwar keimte in der Debatte wie schon in den Vorjahren wieder die Forderung nach einer Vereinheitlichung der Sanktionen auf. Schlussendlich rang man sich aber dazu durch, den Rahmenbeschluss im Ergebnis zu begrüßen. Allerdings setzten sich die Stimmen durch, die zumindest rechtstaatliche Mindeststandards eingehalten sehen wollen. Neben der Beachtung des Grundgesetzes mahnte der Arbeitskreis an, weder eine Rückwirkung noch die Ausdehnung der Halterhaftung in das Umsetzungsgesetz aufzunehmen.
(siehe auch: Albrecht in SVR 2008, S. 15)

Der Arbeitskreis IV „Das neue Versicherungs-Vertragsgesetz“ begrüßt die erweiterte Beratungspflicht der Versicherungen. Seine Empfehlungen beschäftigen sich in erster Linie mit dem Wegfall des „Alles-oder-Nichts-Prinzips“ im Bereich der groben Fahrlässigkeit und dessen Auslegung. Der Arbeitskreis geht unter anderem davon aus, dass immer noch ein völliger Wegfall der Leistungspflicht denkbar ist, etwa im Bereich der alkohol- und drogenbedingten Fahruntüchtigkeit. (siehe auch: Nugel in NZV 2008, S. 11; Hering in SVR 2008, S. 5)

Im Arbeitkreis V „Fuhrparkmanagement“ beschäftigte sich mit dem Fuhrparkverantwortlichen, der für ein Unternehmen die gesamten Halterpflichten wahrnimmt. Die Anforderungen etwa an die Führerscheinkonrolle dürften jedoch nicht überspannt werden. Bei der Gewinnabschöpfung infolge erheblicher Verstöße sei die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu berücksichtigen. Entsprechenden Maßnahmen seien besonders präzise Feststellungen zugrunde zu legen.

Der Arbeitskreis VI „Unfallkommissionen als Instrumente der Verkehrssicherheitsarbeit“ plädiert für die Aufnahme des Instituts „Unfallkommission“ in die VwV-StVO. Neben der Forderung nach mehr Geld für die Fortbildung der Kommissionsmitglieder wird insbesondere eine Verbreiterung der Datenbasis durch die Erfassung aller Unfälle seitens der Polizei angemahnt. Zur Unterstützung der örtlichen Unfallkommissionen sollten Zentralstellen in den Ländern mit entsprechenden Controllinginstrumenten geschaffen werden.

„Die Belastbarkeit des Fahrzeugführers“ stand im Mittelpunkt des gleichnamigen Arbeitskreises VII. Mit der Forderung eines europäischen Vertriebsverbotes für Geräte mit visuellen Unterhaltungsfunktionen für den Fahrer oder Radarwarnern wies das Gremium auf die Gefahren der Ablenkung des Fahrzeugführers hin. Dem Vorschlag aus der Anwaltschaft, die Bedienung von Navigationsgeräten während der Fahrt zu pönalisieren, wurde dagegen abgelehnt. (siehe auch: Mazotti u. Castor in NZV 2008, S. 16)

Zuletzt wurden im etwas exotischen Arbeitskreis VIII „Maßnahmen der Schifffahrt zum Klima- und Emissionsschutz“ eine deutliche Senkung des Schadstoffausstoßes und der CO2-Emissionen gefordert und hierzu ein Maßnahmenkatalog erarbeitet.

Den vollen Wortlaut der Empfehlungen finden Sie hier:

http://www.deutsche-verkehrsakademie.de/vgt_2008.html

Rahmenprogramm
Nicht unerwähnt bleiben soll das wie immer reichhaltige offizielle und insbesondere inoffizielle Rahmenprogramm des VGT. So bot sich am Rande und insbesondere an den Abenden mit den Empfängen des Deutschen Anwaltsvereins, der verschiedenen Automobilclubs, des Bundes der Versicherer und der Sachverständigenorganisation Dekra reichlich Gelegenheit, die tagsüber geführten Debatten zu vertiefen.

Quelle: Friedrich Demandt - Tagungsbericht vom 12.02.08