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Zustimmungspflichtige Geschäfte bei Aktiengesellschaften

Nach dem Aktiengesetz kann die Zustimmung zu einem zustimmungspflichtigen Geschäft nur durch ausdrücklichen Beschluss des Aufsichtsrats erteilt werden. Sie kann nicht durch Entscheidung des Aufsichtsratsvorsitzenden ersetzt werden. Auch Meinungsäußerungen sowie die konkludente Einwilligung der Hauptversammlung oder einzelner Aktionäre genügen nicht. Das hat der BGH entschieden.

Sachverhalt

Die Satzung der D-AG, deren Alleinaktionär die Stadt D ist, enthielt bestimmte Zustimmungsvorbehalte für Maßnahmen, die der Vorstand ausführt. Dazu zählte u. a. die Ausführung von Bauten und Neuanschaffungen, soweit im Einzelfall 200.000 € überschritten werden. Dies bedurfte der Zustimmung des Aufsichtsrats. Daher legte der Alleinvorstand dem Aufsichtsrat eine Kalkulation für die Sanierung einer Gewerbeimmobilie vor, der der Aufsichtsrat zustimmte.

Allerdings verdoppelten sich die Kostenansätze anschließend, nachdem der zuständige Denkmalpfleger hinzugezogen worden war. Deswegen kam zu einem Gespräch zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsratsvorsitzenden mit unklarem Inhalt. Später schloss der Vorstand mit der Stadt D einen Erbbaurechtsvertrag ab, der dem gefassten Aufsichtsratsbeschluss entsprach.

Die Immobiliensanierungen wurden durch Tochtergesellschaften der Aktiengesellschaft durchgeführt, wobei der Vorstand auch als Geschäftsführer der Tochtergesellschaften tätig wurde. Nach der Sanierung konnten nicht alle Teile der Immobilien verwertet werden. Daraufhin verlangte die AG vom Vorstand Schadensersatz.

Das LG Düsseldorf hat der Klage mit Urteil vom 01.04.2016 (39 O 20/14) stattgegeben. Das OLG Düsseldorf hat die Schadensersatzpflicht mit Urteil vom 15.12.2016 (I-6 U 97/16) weitgehend bestätigt. Der BGH hat die Revision zugelassen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Der Vorstand hat gegen die ihm nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG obliegenden Pflichten verstoßen. Denn er hat vor Umsetzung des geänderten Konzepts keinen neuen Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats eingeholt, nachdem die von der ursprünglichen Planung abweichende erhebliche Kostensteigerung festgestellt worden war, die es entgegen der ursprünglichen Planung ausschloss, das Projekt wirtschaftlich zu betreiben.

Sieht sich der Vorstand nach eingeholter Zustimmung zur Vornahme wesentlicher inhaltlicher Änderungen des Geschäfts veranlasst, muss er diese dem Aufsichtsrat mitteilen und um erneute Zustimmung ersuchen. Durch diesen Kompetenzverstoß ist der AG auch ein Schaden entstanden. Denn § 93 Abs. 2 AktG sanktioniert nicht den Kompetenzverstoß des Vorstands an sich, sondern setzt einen dadurch verursachten Schaden voraus.

Weil aber das Berufungsgericht nicht geprüft hatte, ob der Aufsichtsrat den vom Vorstand durchgeführten Maßnahmen zugestimmt hätte, wenn er ihn gefragt hätte, was den Vorstand bei positiven Befund entlastet hätte, hob der BGH das Urteil auf und verwies es zur erneuten Verhandlung ans OLG zurück.

Dazu weist der BGH darauf hin, dass unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG zwei äußere Grenzen dieses Einwands zu beachten sind. Diese sind erreicht, wenn die Aufsichtsratsmitglieder bei pflichtgemäßem Verhalten aus damaliger Sicht in das vom Vorstand zur Zustimmung vorgelegte Geschäft hätten einwilligen oder die Einwilligung hätten versagen müssen.

Eine Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats wird angesichts des mit jeder unternehmerischen Entscheidung einhergehenden Risikos nur selten bestehen. Besteht ausnahmsweise eine Pflicht zur Einwilligung, hat der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens Erfolg. Der Vorstand haftet dann nicht für den Kompetenzverstoß.

Die Berufung des Vorstands auf ein pflichtgemäßes Alternativverhalten findet auf der anderen Seite ihre Grenze dort, wo die Einwilligung des Aufsichtsrats ex ante betrachtet pflichtwidrig gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn eine zustimmungspflichtige Maßnahme gegen Gesetz oder Satzung verstoßen würde, sodass dem Aufsichtsrat schon gar kein unternehmerischer Handlungsspielraum zusteht.

Folgerungen aus der Entscheidung

Die nach der Satzung der AG erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrats kann nicht durch eine nachträgliche (konkludente) Genehmigung des Handelns des Vorstandes durch den Aufsichtsrat ersetzt werden. Bestimmen die Satzung oder der Aufsichtsrat, dass gewisse Geschäfte nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen, hat der Vorstand die Zustimmung des Aufsichtsrats grundsätzlich vor der Durchführung des Geschäfts einzuholen.

Auf eine im Schrifttum diskutierte Ausnahme in Eilfällen kann sich der Vorstand nicht berufen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der konkrete Zustimmungskatalog entweder wie in der Satzung der AG zum Zeitpunkt der Zustimmungserteilung schweigt oder diese im Sinne einer vorherigen Einwilligung festschreibt.

Daher liegt es auch nicht im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands, ob er die Zustimmung vor oder nach der Vornahme des betreffenden Geschäfts einholt.

Zustimmungsvorbehalte, wie sie die Satzung der AG auf der Grundlage des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG für bestimmte Geschäfte vorsieht, sind das Instrument vorbeugender Kontrolle des Aufsichtsrats, Maßnahmen des Vorstands, die möglicherweise nicht mehr rückgängig gemacht werden können, von vornherein zu unterbinden. Diesen Zweck können Zustimmungsvorbehalte nur erfüllen, wenn sie als Einwilligungsvorbehalte verstanden werden.

Ebenfalls ersetzt die Einwilligung des Aufsichtsratsvorsitzenden der AG nicht die Zustimmung des Aufsichtsrats. Denn die im Zusammenhang mit der Zustimmung nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG erforderliche Willensbildung des Aufsichtsrats, die am Gesellschaftszweck orientiert ist, erfolgt – vorbehaltlich der Übertragung der Zustimmungsentscheidung auf einen Ausschuss – durch ausdrücklichen Beschluss nach § 108 Abs. 1 AktG.

Dieser Vorgang einheitlicher Willensbildung kann nicht durch die Entscheidung des Aufsichtsratsvorsitzenden ersetzt werden, weil dieser seinen Willen abweichend vom Aufsichtsrat bilden könnte.

Der BGH stuft die Klage der AG auch nicht als rechtsmissbräuchlich ein. Zwar tritt der AG gegenüber die Ersatzpflicht des Vorstandsmitglieds nicht ein, wenn seine Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht (§ 93 Abs. 4 Satz 1 AktG). Notwendig ist indes ein förmlicher Beschluss in der Hauptversammlung.

Meinungsäußerungen oder die konkludente Einwilligung der Hauptversammlung oder einzelner Aktionäre genügen nicht – auch nicht, wenn es sich um Bekundungen des Alleinaktionärs handelt. Nur ausnahmsweise kann in einer solchen Situation ein Rechtsmissbrauch vorliegen.

Diese Voraussetzungen sind nicht bereits dann erfüllt, wenn der Alleinaktionär in das haftungsbegründende Geschäft des Vorstands eingewilligt hat. Treten indes weitere Umstände im Verhalten des Alleinaktionärs hinzu (was vorliegend nicht der Fall war), sodass sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, kann die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs durch die Gesellschaft im Ausnahmefall rechtsmissbräuchlich sein. Der Widersprüchlichkeit eines solchen Verhaltens steht nicht entgegen, dass der Alleinaktionär nur mittelbar über seine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen an dem Haftungsverhältnis beteiligt ist.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass der Vorstand einer AG bei zustimmungspflichtigen Maßnahmen die Zustimmung vor deren Durchführung erhalten hat, wenn er die eigene Schadensersatzpflicht vermeiden will. Wie insbesondere das Urteil des BGH vom 10.07.2018 (II ZR 24/17) zeigt, kann jede Zustimmung – vorbehaltlich der Übertragung der Zustimmungsentscheidung auf einen Ausschuss – nur durch ausdrücklichen Beschluss des Aufsichtsrats erteilt und nicht durch eine Entscheidung des Aufsichtsratsvorsitzenden ersetzt werden.

BGH, Urt. v. 10.07.2018 – II ZR 24/17

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht