Eine Versicherung gegen Berufsunfähigkeit darf die Zahlungen bei Aufnahme einer anderweitigen Erwerbstätigkeit unter Umständen einstellen. Das hat das OLG Oldenburg entschieden. Nach dem Gericht ist auf die Lebensstellung des Versicherten bei Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen. Chancen und Erwartungen - wie positive Lohnentwicklungen - sind demnach nicht abgesichert.
Darum geht es
Nach einem Unfall oder Krankheit seinen Job zu verlieren und dann ohne Einkommen dazustehen ist eine reale Gefahr. Viele Arbeitnehmer schließen eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab, um sich dagegen abzusichern.
Häufig ist aber vereinbart, dass die Versicherung nur dann zahlen muss, wenn feststeht, dass der Versicherte seinen Beruf auf Dauer nicht mehr ausüben kann und auch nicht zu einer anderen Tätigkeit in der Lage ist, die der Ausbildung, den Fähigkeiten und der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspricht und er eine solche Tätigkeit auch tatsächlich nicht ausübt (§ 2 Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, BBUZ).
Das OLG Oldenburg hatte jetzt zwei solcher Fälle zu entscheiden. Im ersten Fall konnte der aus Lingen stammende Kläger nicht mehr als Heizungsmonteur tätig sein. Er schulte zum technischen Zeichner um und verdiente letztlich so viel wie zuvor.
Er machte indes geltend, die beiden Berufe seien nicht vergleichbar, weil der Beruf des Heizungsmonteurs – gerade im ländlichen Raum - ein höheres Sozialprestige habe. Außerdem habe sich seit seinem Unfall das Gehaltsniveau im Handwerk besonders positiv entwickelt. Er hätte daher mittlerweile in seinem alten Beruf viel mehr verdienen können als jetzt in dem neuen Beruf.
In dem anderen Fall argumentierte ein ehemaliger Estrichleger - ebenfalls aus Lingen - ähnlich. Er hatte eine Umschulung zum Großhandelskaufmann gemacht. Als kaufmännischer Angestellter verdiente er jetzt geringfügig weniger als zuvor. Er gab an, als Estrichleger hätte er mehr gesellschaftliche Wertschätzung erfahren, später einen Meistertitel erworben und ein Firmenfahrzeug erhalten.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das OLG Oldenburg gab in beiden Fällen der Versicherung Recht.
Die Behauptung der Kläger, Handwerk habe ein höheres Sozialprestige als die jetzt von den Klägern ausgeübten Berufe, sei durch nichts belegt. Die Argumentation, die Gehälter im Handwerk hätten sich nach dem Eintritt des Versicherungsfalles verbessert oder der Versicherte hätte mit einem Aufstieg rechnen können, sei nicht relevant.
Abzustellen sei nämlich auf die Lebensstellung des Versicherten bei Eintritt des Versicherungsfalles. Chancen und Erwartungen seien durch die Versicherung nicht abgesichert.
Der Versicherte könne also nicht argumentieren, nach Eintritt des Versicherungsfalles hätte er im alten Beruf eine positive Lohnentwicklung mitgemacht. Die Versicherungen hätten daher ihre Leistungen zu Recht einstellen dürfen.
OLG Oldenburg, Beschlüsse v. 11.05.2020 - 1 U 14/20, 1 U 15/20
Quelle: OLG Oldenburg, Pressemitteilung v. 07.08.2020