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Unwirksamer Zwangsabstieg

Der Zwangsabstieg des SV Wilhelmshaven aus der Regionalliga Nord nach der Saison 2013/14 war unwirksam. Das OLG Bremen hat jetzt entschieden, dass der letztlich von DFB und FIFA veranlasste Zwangsabstieg des Fußballvereins gegen europarechtliche Vorgaben verstößt. Hintergrund war eine umstrittene „Ausbildungsentschädigung“ für einen Spieler, den der SV Wilhelmshaven verpflichtet hatte.

Darum geht es

In dem Hanseatischen OLG in Bremen entschiedenen Fall wendet sich der Kläger, der SV Wilhelmshaven e.V., gegen einen Zwangsabstieg. Diesen Zwangsabstieg hatte der Norddeutsche Fußball-Verband gegenüber der in der Regionalliga Nord spielenden 1. Herren Fußballmannschaft des Klägers zum Ablauf der Saison 2013/2014 ausgesprochen.

Die vom Kläger gegen diese Entscheidung beim Verbandsgericht des Beklagten eingelegte Beschwerde wies dieses mit Urteil vom 20.02.2014 zurück. Der Zwangsabstieg erfolgte auf Ersuchen des DFB, der wiederum ein entsprechendes Verlangen von der FIFA erhalten hatte.

Dem Ersuchen liegt ein vor der Gerichtsbarkeit der FIFA ausgetragener Streit zwischen dem Kläger und zwei argentinischen Fußballvereinen zugrunde, bei dem es jeweils um die Zahlung einer Ausbildungsentschädigung für einen Fußballspieler geht.

Der Kläger hatte im Januar 2007 für die restliche Rückrunde der damals drittklassigen (heute viertklassigen) Regionalliga Nord einen Fußballspieler als Berufsspieler verpflichtet, der vorher bei den beiden argentinischen Vereinen als Amateur Fußball gespielt hatte.

Dieser Spieler besitzt - jedenfalls auch - die italienische Staatsangehörigkeit. Die argentinischen Vereine verlangten von dem Kläger für diesen Spieler eine nach den entsprechenden Regelungen der FIFA berechnete Ausbildungsentschädigung von 100.000 € bzw. 60.000 €. Sie erhielten von der von ihnen angerufenen „Dispute Resolution Chamber“ in Zürich Entschädigungen von 100.000 € und 57.500 € zugesprochen.

Der vom Kläger als Berufungsinstanz in Anspruch genommene „Court of Arbitration for Sports“ (CAS) bestätigte diese Entscheidungen. Da der Kläger nicht zahlte, verhängte die FIFA-Disziplinarkommission Geldstrafen, Punktabzüge sowie den jetzt zwischen den Parteien noch streitigen Zwangsabstieg.

Der vom Kläger hinsichtlich des Zwangsabstiegs angerufene CAS wies das Rechtsmittel des Klägers zurück.

Der Kläger hatte bereits vor der Sportgerichtsbarkeit unter anderem vorgebracht, die festgesetzten Ausbildungsentschädigungen seien europarechtswidrig, weil der Spieler als italienischer Staatsangehöriger in seinem aus Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgenden Recht auf Freizügigkeit verletzt werde, worauf sich auch der Kläger berufen könne.

Unter anderem mit diesem Argument wendet er sich gegen den vom Beklagten gegen ihn verhängten Zwangsabstieg. Soweit sich der Kläger gegen einen dieselbe Mannschaft betreffenden Abzug von 6 Punkten in der Saison 2012/2013 gewehrt hatte, hat sich dieser Streit durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien erledigt.

Der Beklagte beruft sich zum einen darauf, dass der Kläger nicht alle Rechtsmittel der Sportgerichtsbarkeit ausgeschöpft habe. Er ist zum anderen der Auffassung, dass er der falsche Beklagte sei, weil er lediglich die von der FIFA-Disziplinarkommission ausgesprochenen Sanktionen umsetze, die wiederum auf einer rechtskräftigen Entscheidung des CAS über die Verpflichtung des Klägers, die Ausbildungsentschädigungen zu zahlen, beruhten. Hierzu seien er sowie auch der DFB aufgrund der DFB-Satzung, auf die die Satzung des Beklagten verweise, verpflichtet.
Eine eigene Prüfungskompetenz stehe dem Beklagten dabei nicht zu.

Das Landgericht Bremen hat mit Urteil vom 25.04.2014 (Az: 12 O 129/13) die Klage abgewiesen.

Es hat die Auffassung des Beklagten geteilt, dass dieser die Entscheidungen der FIFA gewissermaßen als deren Vollstreckungsorgan umzusetzen und keine eigene Entscheidungskompetenz habe.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Auf die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers hat das OLG Bremen das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Unwirksamkeit des gegen die 1. Mannschaft des Klägers verhängten Zwangsabstiegs festgestellt.

Das Gericht hat sich nicht den formalen Argumenten des Beklagten angeschlossen, dass der Kläger allein deswegen nicht klagebefugt sei, weil er nicht die verbandsinternen Rechtsmittelzüge ausgeschöpft habe. Das Gericht ist ferner der Auffassung, dass die Klage sich zu Recht gegen den Beklagten richte, weil es dieser sei, der aufgrund seiner satzungsmäßigen Strafgewalt den Zwangsabstieg gegen den Kläger verhängt habe.

Das OLG Bremen ist schließlich der Auffassung des Landgerichts entgegengetreten, dass der Beklagte hinsichtlich der von der FIFA-Disziplinarkommission verhängten Strafen keine eigene Prüfungskompetenz habe.

Dabei hat der Senat dahinstehen lassen, ob sich der Kläger überhaupt wirksam der Disziplinargewalt der FIFA unterworfen habe. Jedenfalls folge aus § 17a Abs. 2 der DFB-Satzung, dass der Beklagte die Ersuchen der FIFA auf Vollzug der von ihr verhängten Strafen darauf zu überprüfen habe, ob die ihnen zugrunde liegenden Entscheidungen gegen zwingendes nationales oder internationales Recht verstoßen.

Dies sei hier der Fall, weil die festgesetzten Ausbildungsentschädigungen das Recht des Spielers auf Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV verletzten, worauf sich nach der Rechtsprechung des EuGH auch der Verein, der die Ablösesumme zu zahlen habe, berufen könne.

Die Europarechtswidrigkeit folge daraus, dass nach den maßgeblichen Vorschriften der FIFA die Ausbildungsentschädigungen nach den pauschal eingeschätzten ersparten Ausbildungskosten des übernehmenden Vereins bemessen worden seien und nicht entsprechend den Vorgaben des EuGH (siehe Urt. v. 15.12.1995, C415/93, „Bosman“; Urt. v. 16.03.2010, C325/08, „Olympique Lyonnais“) nach den beim ausbildenden Verein entstandenen Kosten.

Die Frage, ob die „Vollstreckung“ der vom CAS bestätigten Ausbildungsentschädigungen gegen den deutschen ordre public verstößt, hat das Gericht dahinstehen lassen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits hat das OLG Bremen die Revision zum BGH  zugelassen.

OLG Bremen, Urt. v. 30.12.2014 - 2 U 67/14

Quelle: OLG Bremen, Pressemitteilung v. 30.12.2014