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Richtige Schwerpunktsetzung bei der englischen Satzbildung

Manches lernt man in einer Fremdsprache besonders schwer – weil es in der eigenen Sprache keine direkten Entsprechungen gibt. Diesmal nehmen wir die Verteilung der Information im Satz unter die Lupe. Wenn Sie die englischen Besonderheiten in diesen Bereichen kennen, werden Sie ein ganz neues Level in Ihren Englischfähigkeiten erreichen.

In den Beiträgen der Rubrik english@work präsentieren wir in Zusammenarbeit mit dem GWI- Verlag, München, Beiträge in Englisch, mit denen Sie sich fit machen können für den Büroalltag auf Englisch. Verfasst werden die Beiträge von Maureen Brown und Jennifer Hohensteiner, die den Newsletter „english@work – Professionelles Know-how & mehr Kompetenz für Assistenz und Sekretariat“ beim GWI- Verlag herausgeben. Zu beziehen ist der Newsletter unter www.english-work.com.

Die Verteilung der Information im Satz, das klingt erst einmal recht abstrakt. Deshalb gleich zu einem Beispiel: Wie würden Sie den deutschen Satz „Der Tee war zu heiß.” übersetzen?

"The tea was too hot.”: Das klingt für deutsche Ohren wunderbar – MuttersprachlerInnen des Englischen finden diese Übersetzung zwar in Ordnung, aber nicht ideal. Sie würden eher sagen: “The tea was too hot to drink.”

Das verwundert uns nun wiederum: Warum diese in unseren Augen völlig überflüssige Ergänzung “to drink”? Wofür sollte der Tee denn sonst zu heiß sein – zum Händewaschen vielleicht? Die Erklärung für diese unterschiedliche Sicht liegt in der unterschiedlichen Verteilung der Informationsschwerpunkte im deutschen und im englischen Satz.

Wo steht die wichtigste Information?
Jede Sprache hat ihre eigene „Informationspolitik”. Das bedeutet: Wo die wichtigste, die neue Information in einem Satz steht, das ist in jeder Sprache festgelegt – und es unterscheidet sich von Land zu Land. Das hat jeweils mit dem Sprachsystem als Ganzem zu tun, aber so tief wollen wir hier nicht graben. Wichtig für uns ist, dass der Informationsschwerpunkt im englischen Satz links liegt, im Deutschen hingegen rechts. Die Fachbegriffe dafür sind „links- und rechtsperiphär”.

Deutsch: Das Wichtigste steht rechts
Im Deutschen steht die wichtigste Information – die, die wirklich neu ist – rechts, und zwar am Ende des Satzes:

Frau Hemmers kochte Tee. Der Tee war zu heiß.

Im ersten Satz ist der Tee das Wichtigste. Im zweiten Satz ist dies schon bekannt, und die neue Information ist, dass der Tee zu heiß war. Diese Verteilung der Information gilt aber auch für isolierte Sätze:

Für dieses Problem gibt es vor allem zwei Gründe.

Das Problem wurde offenbar schon vorher behandelt. Die „zwei Gründe“ sind das Wichtigste, das Neue, und stehen deshalb am Ende.

Hinweis:

„Unwichtig” bedeutet nicht, dass man die Information einfach weglassen könnte. Man bezeichnet sie auch treffender als „Hintergrundinformation”. Wir bleiben hier jedoch beim Begriff „unwichtig”, um den Unterschied zu „wichtig” deutlich zu machen.

Englisch: Das Wichtigste steht in der Mitte
Im Englischen steht das Wichtigste – nein, nicht am Anfang, sondern in der Mitte! Es gibt – jetzt können wir es ja erwähnen – nämlich nicht nur zwei, sondern drei „Wichtigkeitsstufen” in einem Satz. Im Deutschen ist die Verteilung 2-3-1: das Wichtigste zuletzt, das Unwichtigste in der Mitte. Im Englischen ist sie 2-1-3: das Wichtigste in der Mitte, das Unwichtigste am Ende:

Deutsch: „Der Tee (2) war (zum Trinken (3)) zu heiß (1).“
Englisch: “The tea (2) was too hot (1) to drink (3).”

Entscheidend ist, dass die Stellung des Wichtigsten und Unwichtigsten im Englischen und im Deutschen vertauscht sind. Deutsch: 3-1, Englisch: 1-3.

Jokebox
"The German language speak I not good, but have numerous connoisseurs me assured that I her write like an angel."
Mark Twain

Strategie für englische Sätze
Jetzt wird auch klar, warum im Englischen oftmals am Ende eines Satzes eine für deutsche SprecherInnen überflüssig erscheinende, eher unwichtige Information angehängt wird: um die bevorzugte Struktur englischer Sätze aufrechtzuerhalten. Denn unsere Anfangsübersetzung „The tea was too hot.” enthält am Ende die wichtigste Information – dort, wo Muttersprachler des Englischen ganz im Gegenteil die unwichtigste erwarten. Also hängen sie etwas Hintergrundinformation an, und die Struktur stimmt wieder.

Exercise Übersetzen
Bitte übersetzen Sie erst einmal „aus dem Bauch heraus”. Prüfen Sie dann, ob die Schwerpunkte im Satz richtig verteilt sind, und ändern oder ergänzen Sie, wenn nötig.
1. Für dieses Problem gibt es vor allem zwei Gründe.
2. Ihre Stimme ist zu leise.

Know-how für Sprachprofis
Dies sind, kurz gefasst, einige grundlegende Strukturunterschiede der deutschen und der englischen Sprache. Wenn Sie sie nicht immer und in jedem Satz direkt nachvollziehen können, liegt das daran, dass wir hier nur die Grundlagen darstellen konnten. Aber wenn Sie die beschriebenen Unterschiede in der Informationsverteilung im Hinterkopf behalten, werden Sie viele Ihnen bislang unerklärlich erscheinende Phänomene des Englischen verstehen. Und Sie haben einen wichtigen Schlüssel in der Hand, um Ihrem Englisch muttersprachliche Qualität zu verleihen.

Quelle: Maureen Brown und Jennifer Hohensteiner, München - Beitrag vom 13.07.09