Das Amtsgericht München hat eine Zahlungsklage gegen eine Reiserücktrittsversicherung abgewiesen. Auch die Feststellung, dass der Versicherungsbeitrag wegen der Reisewarnung entfällt oder zu kürzen ist, lehnte das Gericht ab. Demnach reicht die telefonische Konsultation des Hausarztes nach einem Skiunfall in Südtirol auch in Corona-Zeiten nicht aus, um eine Erkrankung nachzuweisen.
Darum geht es
Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau für eine Woche ab 01.03.2020 geführte Langlauftouren von Hotel zu Hotel in den Dolomiten zum Preis von 1.770 € sowie einen anschließenden einwöchigen Hotelaufenthalt auf der Seiser Alm, für den er 850 € anzahlte. Bereits am 06.03.2020 reiste der Kläger mit seiner Ehefrau nach Deutschland zurück.
Der Kläger behauptet, er sei am 05.03.2020 auf der der stark vereisten Langlaufloipe so schwer mit dem den Rücken auf seine Langlaufski gestürzt, dass er aufgrund erheblicher Schmerzen die Reise nicht habe fortsetzen können.
Er habe am Folgetag mit seinem Hausarzt telefoniert, der ihm wegen der zwischenzeitlich für Südtirol erfolgten Reisewarnung des Auswärtigen Amtes aufgrund der Covid-19-Pandemie davon abgeraten habe, einen Arzt vor Ort aufzusuchen.
Er solle Ibuprofen 800 einnehmen, sich nach Hause und dort in häusliche Quarantäne begeben. Bei einer starken Prellung oder einfachen Fraktur würden die Schmerzen mit der Zeit abnehmen. Andernfalls müsse eine Klinik in Deutschland aufgesucht werden.
Der Kläger habe sich für die Heimreise und Quarantäne entschieden und den Hotelaufenthalt auf der Seiser Alm deswegen storniert. Die weitere Behandlung in Deutschland sei telefonisch erfolgt. Die Schmerzen hätten binnen zwei Wochen stetig abgenommen.
Er meint, ihm stünden aus der Reiserücktrittsversicherung ungenutzte Teilleistungen der ersten Woche von 835 € sowie die geleistete Anzahlung von 850 € zu.
Darüber sei er während der erfolgten Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes sowie der innerdeutschen Reiseverbote von seiner Pflicht zur Zahlung der Versicherungsbeiträge befreit oder die Beklagte wenigstens zur angemessenen Reduzierung der Versicherungsbeiträge verpflichtet.
Die Beklagtenpartei bestreitet eine unerwartete schwere Erkrankung. Dass ein nur telefonisch befragter Arzt einen Beckenbruch nicht ausschließe und gleichzeitig die Rückreise empfohlen haben soll, sei unglaubwürdig.
Wer nach einem Unfall 800 km nach Deutschland zurückfahren könne, könne auch seinen Urlaub fortsetzen. Zudem habe der Kläger seine Obliegenheitspflicht verletzt, indem er vor Ort keinen Arzt aufgesucht habe.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Amtsgericht München hat die Klage eines Rechtsanwalts gegen den Münchener Reiseversicherer auf Zahlung von 1.685 € und auf Feststellung, dass der Versicherungsbeitrag für die Dauer der weltweiten Reisewarnung entfalle bzw. angemessen zu kürzen sei, abgewiesen.
Zwar glaubt das Gericht der Darstellung des Klägers, wonach dieser am 05.03.2020 auf einer Langlaufloipe in Südtirol auf den Rücken gestürzt ist und in der Folge starke Schmerzen hatte und hoch dosierte Schmerzmittel einnehmen musste.
Allerdings hat der Kläger nicht bewiesen, dass es sich hierbei um eine schwere Erkrankung gehandelt hat, die die Fortführung der ersten Reise und den Antritt der weiteren Reise unzumutbar machte.
Die vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Dr. (N.N.), die auch die Unzumutbarkeit impliziert, beruhte auf einer Einschätzung im Rahmen einer telefonischen Erörterung der Sachlage, ohne dass eine tatsächliche Untersuchung stattgefunden hat.
Sie hat daher hinsichtlich der Diagnose „starke Prellung und/oder Fraktur“ allenfalls einen eingeschränkten, bezüglich der Frage der Unzumutbarkeit der Fortführung der Reise keinen Aussagewert.
Auch später erfolgte weder in Südtirol noch nach der Rückkehr nach Deutschland ein Arztbesuch, so dass die Art der Erkrankung sowie ihre Folgen nicht beurteilt werden können.
Darüber hinaus ist die Beklagte auch wegen der Obliegenheitsverletzung des Klägers, eine ärztliche Bescheinigung eines (Fach-)Arztes vor Ort vorzulegen, von der Leistungspflicht hinsichtlich des Abbruchs der ersten Reise befreit. Unstreitig erfolgte ein Arztbesuch in Südtirol nicht, wobei dem Beklagten grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
Denn es ist nicht erklärbar, warum der Besuch eines Krankenhauses oder einer Arztpraxis in Südtirol auch im Rahmen der Covid-19-Pandemie nicht möglich gewesen sein soll.
Das Gericht geht davon aus, dass in Südtirol vergleichbare Standards hinsichtlich Schutz und Hygiene bestehen wie in Deutschland und bei der Untersuchung von Patienten Vorkehrungen getroffen werden, um ein Ansteckung zu vermeiden. Auch nach der Rückkehr nach Deutschland erfolgte keine Vorstellung bei einem Arzt mehr.
Darüber hinaus ist der Feststellungsantrag auch unbegründet. Der Versicherungsschutz gilt weltweit und für jede Art von Reise. Selbst eine weltweit ausgesprochene Reisewarnung stellt kein Reiseverbot dar, weshalb der Vertrag auch bei Reisen in Gebiete, für die eine Reisewarnung ausgesprochen ist, Schutzwirkung entfalten würde.
Soweit vereinzelt Reiseverbote innerhalb Deutschlands für bestimmte Zeiträume ausgesprochen wurden, führt dies nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage, da - wie dargelegt - Reisen grundsätzlich möglich bleiben.
Das Urteil ist nach Berufungsrücknahme rechtskräftig.
Amtsgericht München, Urt. v. 29.10.2020 - 174 C 6951/20
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 07.05.2021