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Reiserecht: BGH klärt Entschädigungsansprüche

Der BGH hat zwei Urteile zum Entschädigungsanspruch gemäß Artikel 7 der europäischen Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ) gefällt. Während die Richter im Fall einer frühzeitig angezeigten Umbuchung die Möglichkeit eines Entschädigungsanspruchs im Grundsatz bejahten, lehnten sie eine Entschädigung für eine Verspätung bei einem kostenlos mitreisenden Kleinkind ab.

Entschädigung bei Umbuchung?

Die Kläger verlangen von dem beklagten Luftverkehrsunternehmen eine Ausgleichszahlung wegen Nichtbeförderung nach Art. 7 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004).

Darum geht es

Die Ehefrau des Klägers buchte bei einem Reiseveranstalter für sich und die Kläger eine Flugpauschalreise in die Türkei. Der Hinflug von Düsseldorf nach Antalya, den die Beklagte durchführen sollte, war für den 28.10.2011 um 9.00 Uhr vorgesehen. Am 14.10.2011 teilte der Reiseveranstalter den Reisenden mit, sie seien auf einen anderen Flug umgebucht worden, der erst um 15.30 Uhr starte. 

Die Kläger sehen darin eine Nichtbeförderung auf dem ursprünglich gebuchten Flug und verlangen deshalb eine Ausgleichszahlung in der nach der Verordnung vorgesehenen Höhe von 400 € pro Person. Die Beklagte macht geltend, sie habe von einer durch den Reiseveranstalter vorgenommenen Umbuchung keine Kenntnis gehabt.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei zwar davon auszugehen, dass die Reisenden über eine Buchung für den früheren Flug verfügt hätten.

Eine Ausgleichszahlung setze aber zusätzlich voraus, dass sich der Fluggast rechtzeitig zur Abfertigung am Schalter einfinde oder zumindest in anderer Weise nach der Buchung nochmals aktiv werde und seinen Teilnahmewunsch am Flug äußere. Daran fehle es im Streitfall. Es sei nicht ersichtlich, dass die Reisenden die Umbuchung nicht akzeptiert und auf einer Beförderung mit dem ursprünglichen Flug bestanden hätten.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Auf die Revision der Kläger hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. 

Der Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung setzt zwar grundsätzlich voraus, dass der Fluggast nicht nur über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügt, sondern sich auch zur angegebenen Zeit zur Abfertigung ("Check-in") einfindet und ihm der Einstieg ("Boarding") gegen seinen Willen verweigert wird.

Es kommt aber weder auf das Erscheinen zur Abfertigung noch auf das Erscheinen am Ausgang an, wenn das Luftverkehrsunternehmen bereits zuvor unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat, dem Fluggast die Beförderung auf dem gebuchten Flug zu verweigern. Die Feststellungen des Berufungsgerichts erlauben indessen keine Entscheidung, ob eine solche Weigerung in der Umbuchungsmitteilung des Reiseveranstalters zum Ausdruck gekommen ist.

Das Berufungsgericht wird zum einen den Inhalt der Umbuchungsmitteilung festzustellen und zum anderen zu klären haben, ob die Reisenden tatsächlich über eine bestätigte Buchung für den Flug um 9 Uhr verfügt haben.

Der genaue Inhalt der beiden Erklärungen wird entscheidend dafür sein, ob in der Mitteilung des Reiseveranstalters, die Reisenden seien auf einen anderen Flug umgebucht worden, eine dem beklagten Luftverkehrsunternehmen zuzurechnende vorweggenommene Weigerung zum Ausdruck kam, die Reisenden auf einem Flug zu befördern, für den sie über einen Flugschein oder eine andere bestätigte Buchung im Sinne der Fluggastrechteverordnung verfügten. 

Von dem Inhalt und der Eindeutigkeit der Erklärungen wird es auch abhängen, ob es vor einer endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur zutreffenden Auslegung der Fluggastrechteverordnung bedarf.

Kein Ausgleichsanspruch eines kostenlos mitreisenden Kleinkinds

Die Klägerin begehrt eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250 € wegen eines verspäteten Fluges nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a der Fluggastrechteverordnung. (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004). Die damals noch nicht zweijährige Klägerin nahm mit ihren Eltern an einer Pauschalreise nach Mallorca teil.

Darum geht es

Die Flugbeförderung erfolgte durch das beklagte Luftverkehrsunternehmen. Es räumte dem Reiseveranstalter in der Flugbuchungsbestätigung eine "100% Kinderermäßigung bis 1 Jahr" ein. Der Rückflug von Palma de Mallorca nach München wurde mit einer Verspätung von 6 Stunden und 20 Minuten durchgeführt. 

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Fluggastrechteverordnung gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finde, weil die Klägerin kostenlos gereist sei. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihren Anspruch weiterverfolgt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH hat entschieden, dass Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Fluggastrechteverordnung sämtliche Fluggäste, die kostenlos reisen, vom Anwendungsbereich der Verordnung ausnimmt.

Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, ob ein "Nulltarif" für die Öffentlichkeit verfügbar ist. Weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch ihr Sinn und Zweck rechtfertigen die Annahme, der Ausschlusstatbestand der "kostenlos reisenden Fluggäste" betreffe lediglich den Sonderfall eines für die Öffentlichkeit nicht verfügbaren Tarifs, bei dem der Flugpreis auf Null reduziert ist.

Da Zweifel an der Auslegung der entscheidungserheblichen Bestimmungen der Verordnung nicht bestehen, bestand keine Veranlassung für ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union.

BGH, Urteile v. 17.03.2015 - X ZR 34/14 und X ZR 35/14

Quelle: BGH, Pressemitteilungen v. 17.03.2015