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Physiotherapie: Haftung für Hirninfarkt?

Ein Physiotherapeut darf einen Patienten mit Verspannungen im Bereich des Nackens und des Rückens lediglich „mobilisieren“. Eine „Manipulation“, das sog. Einrenken, ist einem Arzt vorbehalten. Lässt sich die angewendete Behandlungsmethode im Streitfall nicht feststellen, geht dies zu Lasten des für die Fehlbehandlung beweispflichtigen Patienten. Das hat das OLG Hamm entschieden.

Darum geht es

Der im Jahre 1974 geborene Kläger aus dem Kreis Minden-Lübbecke litt 2008 unter Verspannungen im Rücken- und Nackenbereich. Die ärztlich verordneten physiotherapeutischen Behandlungen ließ der Kläger in der ortsansässigen Praxis der beklagten Physiotherapeutin durchführen.

Nach der vierten Behandlung verspürte der Kläger linksseitige Lähmungserscheinungen, die auf einem Hirninfarkt beruhten, weil es zu einer Dissektion (Gefäßwandverletzung) der Arterie vertebralis (Wirbelaterie) gekommen war. Nach zwei stationären Behandlungen und Rehabilitationsbehandlungen ließ sich der Kläger 2010 vom Tischler zum Groß- und Außenhandelskaufmann umschulen.

Von der Beklagten hat er Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld von 110.000 € nebst einer monatlichen Schmerzensgeldrente von 100 € und den Ersatz materieller Schäden von ca. 85.000 €. Er hat u.a. gemeint, dass er den Schlaganfall erlitten habe, weil die ihn behandelnde Physiotherapeutin ein unzulässiges Einrenkmanöver durchgeführt und dabei die Arterie verletzt habe. Zudem sei er über die Risiken der Behandlung nicht hinreichend aufgeklärt worden.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Schadensersatzklage ist erfolglos geblieben. Auch nach Anhörung eines medizinischen Sachverständigen konnte das OLG Hamm keine physiotherapeutische Fehlbehandlung in der Praxis der Beklagten feststellen. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass er mit einer nur den Ärzten vorbehaltenen Manipulation behandelt worden sei.

Die feststellbaren Behandlungsweisen könnten zulässige Mobilisationsbehandlungen gewesen sein, die von der Physiotherapeutin fachgerecht mit einem Probezug, dem Release, begonnen und dann mangels feststellbarer Schmerzäußerungen des Klägers in richtiger Weise fortgesetzt worden sein.

Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen der Behandlung und der Dissektion mit Hirninfarkt belege keine unzulässige Manipulation, weil die Arterie des Klägers bereits vorgeschädigt gewesen sein könne.

Der Vorwurf einer fehlenden Aufklärung könne der Beklagten ebenfalls nicht gemacht werden, weil eine gesunde Arterie durch eine Mobilisation nicht geschädigt werden könne und eine Aufklärung deswegen nicht erforderlich sei.

OLG Hamm, Urt. v. 19.12.2014 - 26 U 44/14

Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung v. 06.03.2015