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Meinungsfreiheit deckt Aktionärskritik

Die öffentlich geäußerte Kritik des Daimler-Aktionärs Jürgen Grässlin an der Daimler AG und deren ehemaligem Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Unterlassungsklage von Daimler und Schrempp blieb vor dem BGH ohne Erfolg.

BGH, Urt. v. 22.09.2009 – VI ZR 19/08

Darum geht es:

Im Jahr 2005 hatte Grässlin am Tag des Rücktritts des Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG Jürgen Schrempp in der Fernsehsendung SWR-Landesschau ein Interview gegeben. In der Sendung äußerte Grösslin u.a.:

"Ich glaube nicht, dass der Rücktritt freiwillig war. Ich glaube, dass er (Schrempp) dazu gedrängt und genötigt wurde. … und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr Schrempp geregelt hat."

Die von der Daimler AG und Jürgen Schrempp angestrengte Unterlassungsklage hatte in der ersten und zweiten Instanz Erfolg. Der BGH wies die Klage dagegen ab.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Gesamtzusammenhang der Äußerung
Die Äußerungen des Aktionärs Grässlin dürfen nicht isoliert gesehen, sondern müssen im Gesamtzusammenhang des Interviews bewertet werden. Sie unterliegen als wertende Äußerungen dem Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes.

Herabsetzung der Person Schrempsnicht im Vordergrund
Der erste Teil der Äußerung war entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Werturteil einzustufen.

Beim zweiten Teil handelt es sich auch nicht um unzulässige Schmähkritik, weil sich der Beklagte zu einem Sachthema von erheblichem öffentlichen Interesse äußerte und nicht die Herabsetzung der Person des Klägers zu 2 (Schrempp) im Vordergrund stand.

Öffentliches Interesse an Großunternehmen
Bei der danach gebotenen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz der Kläger und dem Grundrecht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung musste der Persönlichkeitsschutz der Kläger im vorliegenden Fall zurücktreten.

An der Bewertung der Geschäftstätigkeit des Vorstandsvorsitzenden eines Großunternehmens und dessen vorzeitigem Rücktritt besteht ein großes öffentliches Interesse. Demgemäß müssen die Grenzen zulässiger Kritik gegenüber einem solchen Unternehmen und seinen Führungskräften weiter sein. Würde man solche Äußerungen am Tag des Ereignisses unterbinden, wäre eine öffentliche Diskussion aktueller Ereignisse von besonderem Öffentlichkeitswert in einer mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Weise erschwert.

Quelle: BGH - Pressemitteilung vom 22.09.09