Wer zwischen 1994 und 2007 Lebensversicherungen nach dem sog. Policenmodell abgeschlossen hat, kann die gezahlten Prämien nicht zurückverlangen. Damals erhielten Kunden die Vertragsunterlagen oftmals erst mit Zusendung des Versicherungsscheins. Der BGH entschied jetzt, dass eine Rückforderung der Prämien durch die Kunden gegen Treu und Glauben verstoßen würde.
Darum geht es
Der klagende Versicherungsnehmer begehrt Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge aus einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach einem Widerspruch gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Der Versicherungsvertrag wurde 1998 nach dem in dieser (von Mitte 1994 bis Ende 2007 gültigen) Vorschrift geregelten so genannten Policenmodell geschlossen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger mit Übersendung des Versicherungsscheins die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation und wurde ordnungsgemäß nach § 5a VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht belehrt. Der Kläger zahlte in der Folge die Versicherungsprämien. Im Jahr 2004 kündigte er den Versicherungsvertrag und erhielt den Rückkaufswert. Im Jahr 2011 erklärte er den Widerspruch.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages nicht fristgerecht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erklärt habe.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der BGH hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Der Kläger kann nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz verlangen. Er hat die Prämien mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag ist nicht wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. unwirksam.
Dabei war der erkennende Senat - anders als es in Bezug auf die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. der Fall war (Senatsbeschluss v. 28.03.2012 - IV ZR 76/11; siehe auch Senatsurteil vom 07.05.2014) - nicht gehalten, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
Der Senat sieht ebenso wie die einhellige Instanzrechtsprechung und ein Großteil des Schrifttums keinen Anhaltspunkt dafür, dass die einschlägigen Bestimmungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung dem Policenmodell entgegenstehen könnten.
Die Widerspruchslösung des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil die genannten Richtlinien keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrages enthalten, sondern dies dem nationalen Recht überlassen. Vor diesem Hintergrund entspricht § 5a VVG a.F. den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der in den Richtlinien geregelten Informationspflichten in der Ausprägung, die sie durch die Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union gefunden haben.
Eine vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers konnte nach nationalem Recht erst nach der von den Richtlinien geforderten Verbraucherinformation eintreten. Auf diese Weise war eine nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erforderliche Belehrung des Versicherungsnehmers vor dem (wirksamen) Zustandekommen und damit "vor Abschluss des Vertrages" sichergestellt.
Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union schied auch bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen unvereinbar ist, nicht entscheidungserheblich ankam. Offenbleiben konnte daher auch, ob in diesem Fall alle nach dem Policenmodell geschlossenen Lebens- und Rentenversicherungsverträge ohne weiteres - selbst ohne Widerspruch - von Anfang an unwirksam wären - wie der Kläger meint - und ob sich darauf auch Versicherer - sogar nach Auszahlung des Rückkaufswertes oder der Versicherungsleistung - berufen könnten.
Die Entscheidung dieses Rechtsstreits hing nicht von der unionsrechtlichen Frage ab, weil es dem Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten.
Der Kläger verhielt sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte.
BGH, Urt. v. 16.07.2014 - IV ZR 73/13
Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 16.07.2014