Tierhalterhaftpflichtversicherungen können nach dem OLG Frankfurt Ansprüche ausschließen, bei denen der Schaden durch bewusstes Abweichen von Normen und behördlichen Verfügungen zur Hundehaltung verursacht wurde. Im Streitfall musste die Versicherung allerdings zahlen, weil bei einem durch einen Hundebiss verletzten Kind insoweit keine bewusste Pflichtverletzung der Halterin nachweisbar war.
Darum geht es
Die Klägerin hält einen Mischlingshund. Sie hat bei der Beklagten u.a. eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen. In den allgemeinen Versicherungsbedingungen heißt es in Ziff. F.3:
„Ausgeschlossen bleiben Ansprüche gegenüber jedem Versicherungsnehmer oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen oder Anordnungen am Wohnort des Versicherungsnehmers verursacht hat.“
Nachdem der Hund 2011 ein 10-jähriges Mädchen gebissen hatte, ordnete das zuständige Kreisverwaltungsreferat im Juni 2012 an, dass Begegnungskontakte des Hundes mit Kindern bis ca. 14 Jahren zu vermeiden seien.
Im Juni 2012 hielt sich die Klägerin mit ihrem angeleinten Hund in einer öffentlichen Parkanlage mit Spielplatzgelände auf einer Parkbank auf und unterhielt sich mit einer Bekannten. Ein 2-jähriges Kind näherte sich dem Hund, streichelte ihn am Rücken und tastete sich weiter vor in Richtung Kopf.
Der Hund knurrte und biss das Kind ins Gesicht, das hierbei schwere Verletzungen erlitt und 1 ½ Monate stationär behandelt werden musste. Gegen die Klägerin erging ein Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung. Sie wurde außerdem verurteilt, an das Kind knapp 100.000 € zu zahlen.
Die Klägerin nimmt die beklagte Versicherung auf Freistellung von den Zahlungsansprüchen des Kindes in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Berufung gegen die Entscheidung des Landgerichts hatte vor dem OLG Frankfurt Erfolg.
Die Klägerin habe aus der abgeschlossenen Tierhalterhaftpflichtversicherung einen Anspruch auf Freistellung von den Ansprüchen. Die Beklagte könne sich nicht auf den Risikoausschluss nach Ziff. F.3 der allgemeinen Versicherungsbedingungen berufen.
Die Regelung in Ziffer F.3 sei zwar wirksam. Sie enthalte weder eine unangemessene Benachteiligung noch sei sie ungewöhnlich oder überraschend. Schließlich genüge sie auch dem Transparenzgebot, da sie eindeutige und festumrissene Begriffe aus der Rechtssprache verwende.
Die Verpflichtung, eine Klausel klar und deutlich zu formulieren, bestehe nur im Rahmen des Möglichen. Allgemeine Geschäftsbedingungen können nicht stets so formuliert werden, dass dem Kunden jedes eigene Nachdenken erspart bleibt.
Folglich sei es unschädlich, dass nicht sämtliche Gesetze, Verordnungen, Verfügungen und Anordnungen, die der Züchtung und Haltung von Hunden dienen, in der Klausel aufgezählt würden.
Hier habe aber die Klägerin nicht bewusst gegen die Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetze, Verordnungen und behördliche Verfügungen verstoßen. Eine konkrete vorsätzlich begangene Pflichtverletzung sei nicht festzustellen.
Ein bewusst pflichtwidriges Verhalten liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer seine Pflicht wissentlich verletzt. Erforderlich sei damit jedenfalls bedingter Vorsatz. Hier sei nicht nachweisbar, dass die Klägerin gewusst habe, dass das Betreten des Geländes mit einem Hund verboten gewesen sei.
Die Klägerin habe unwiderlegt ausgeführt, dass sie den Spielplatz zuvor nicht gekannt habe. Sie habe auch keine Verbotsschilder für Hunde wahrgenommen. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass ihr der Bescheid der Kreisverwaltung vorher bekannt gewesen sei.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH die Zulassung der Revision begehren.
OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 15.07.2020 - 7 U 47/19
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Pressemitteilung v. 19.08.2020