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Herabsetzung der Vorstandsvergütung?

Voraussetzung für die Herabsetzung der Vergütung des Vorstands nach § 87 AktG ist ein Verschuldensbeitrag des betroffenen Vorstandsmitglieds an der Verschlechterung der Lage. Nach einem BGH-Urteil ist hierfür eine umfangreiche Abwägung erforderlich. Für die Angemessenheit der Vorstandsvergütung reicht der Hinweis auf die Vergütung der übrigen leitenden Angestellten nicht aus.

Sachverhalt

Ein Vorstandsmitglied einer AG wurde nach Drängen der Banken abberufen, erhielt aber weiterhin seine Bezüge. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der AG wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Dieser forderte die Aufsichtsratsmitglieder unter Hinweis auf deren Verpflichtung gem. § 87 Abs. 2 AktG auf, die Vergütung der Vorstände zu begrenzen, wobei der Insolvenzverwalter eine Vergütung von maximal 2.500 € ab Insolvenzeröffnung als angemessen angab. Der Aufsichtsrat folgte diesem Vorschlag des Insolvenzverwalters zunächst und fasste einen entsprechenden Beschluss.

Nachdem das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter ernannt worden war, kündigte dieser den Anstellungsvertrag des freigestellten Vorstandsmitglieds mit einer Frist von drei Monaten und stellte die Zahlungen an dieses Vorstandsmitglied ein. Anschließend beschloss der Aufsichtsrat, die Reduzierung der Vorstandsbezüge rückwirkend aufzuheben.

Das gekündigte Vorstandsmitglied meldete seine Gehaltsansprüche sowie Schadensersatzansprüche zur Insolvenztabelle an. Der Insolvenzverwalter bestritt die Forderungen. Dagegen klagte das Vorstandsmitglied und beantragte zudem die Feststellung, dass der Aufsichtsratsbeschluss über die Reduzierung der Vorstandsbezüge unwirksam sei.

Das LG Tübingen hat mit Urteil vom 22.04.2013 (20 O 48/12) der Klage hinsichtlich der Vergütungsansprüche weitgehend stattgegeben, darüber hinaus abgewiesen. Das OLG Stuttgart hat der Berufung des Vorstandsmitglieds mit Urteil vom 01.10.2014 (20 U 3/13) in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Revision hat der BGH die Berufungsentscheidung aufgehoben und an das OLG Stuttgart zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das Recht zur Herabsetzung der Bezüge gem. § 87 Abs. 2 AktG ist ein einseitiges Gestaltungsrecht der AG, das durch eine Gestaltungserklärung ausgeübt wird, die der Aufsichtsrat in Vertretung der Gesellschaft (§ 112 AktG) gegenüber dem Vorstandsmitglied abgibt. Die für die Vertretung wie auch sonst erforderliche Willensbildung des Aufsichtsrats erfolgt durch ausdrücklichen Beschluss nach § 108 Abs. 1 AktG.

Ficht ein betroffenes Vorstandsmitglied die Herabsetzung seiner Bezüge, die aufgrund eines Aufsichtsratsbeschlusses vorgenommen worden ist, gerichtlich an, ist danach zu unterscheiden, ob die angeführten Unwirksamkeitsgründe (nur) die interne Willensbildung des Aufsichtsrats betreffen oder (auch) Auswirkungen auf die Gestaltungserklärung haben, die im Außenverhältnis gegenüber dem Vorstandsmitglied abgegeben wurde.

Dabei ist bei eventuellen Mängeln eines Aufsichtsratsbeschlusses nicht entsprechend §§ 241 ff. AktG zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen zu unterscheiden – vielmehr sind Aufsichtsratsbeschlüsse, die in verfahrensmäßiger oder inhaltlicher Beziehung gegen zwingendes Recht verstoßen, grundsätzlich nichtig. Aus Gründen der Rechtssicherheit können allerdings Einschränkungen der Folgen der Nichtigkeit in persönlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht erforderlich sein. Zudem sind Rechtshandlungen, die vom Aufsichtsrat aufgrund eines mangelhaften Beschlusses vorgenommen werden, nicht grundsätzlich gleichfalls unwirksam.

In diesem Zusammenhang stellt der BGH klar, dass die Möglichkeit der Herabsetzung nach § 87 Abs. 2 AktG gerade auch in der Insolvenz der AG besteht.

Der BGH hält die Herabsetzung der Vergütung der Vorstandsmitglieder grundsätzlich für zulässig. Die rückwirkende Aufhebung des Herabsetzungsbeschlusses durch den Aufsichtsrat ist für dafür ohne Bedeutung, weil zu deren Wirksamkeit die Zustimmung des Insolvenzverwalters hätte erklärt werden müssen. Dies ist aber nicht geschehen. Eine Verschlechterung der Lage der Gesellschaft, wie sie in § 87 AktG verlangt wird, ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Gesellschaft insolvenzreif wird.

Die Weiterzahlung der Bezüge ist i.S.d. § 87 Abs. 2 Satz 1 AktG unbillig, wenn der Vorstand pflichtwidrig gehandelt hat oder ihm zwar kein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist, die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft jedoch in die Zeit seiner Vorstandsverantwortung fällt und ihm zurechenbar ist. Davon geht der BGH vorliegend aus. In dieser Situation ist der Aufsichtsrat im Regelfall zu einer Herabsetzung der Vergütung auf den angemessenen Betrag verpflichtet und darf nur bei Vorliegen besonderer Umstände davon absehen, die hier aber nicht vorlagen.

Die Befugnis zur (einseitigen) Herabsetzung nach § 87 Abs. 2 AktG ist insoweit beschränkt, dass die Bezüge (nur) auf den danach höchstmöglichen angemessenen Betrag herabgesetzt werden dürfen. Hierbei stellt der BGH ausdrücklich fest, dass die Höhe der Vergütung von leitenden Angestellten der Gesellschaft keine Richtgröße darstellt, also auch unterschritten werden darf.

Folgerungen aus der Entscheidung

Der BGH stellt genaue Maßstäbe für die gerichtliche Entscheidung zur Reduzierung der Vorstandsvergütung auf: Begehrt das Vorstandsmitglied die Zahlung der vollen vereinbarten Vergütung, hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Herabsetzung der Bezüge gem. § 87 Abs. 2 S. 1 AktG gegeben sind. Ist dies zu bejahen, kann der Kläger jedenfalls keinen vollen Erfolg haben. Entspricht die Herabsetzung der Bezüge auch der Höhe nach dem Gesetz, ist also die Weitergewährung einer über den herabgesetzten Betrag hinausgehenden Vergütung angesichts der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft für diese i.S.d. § 87 Abs. 2 S. 1 AktG unbillig, ist die Klage abzuweisen.

Ergibt die rechtliche Prüfung der Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 S. 1 AktG dagegen, dass die Grenze der für die Gesellschaft unbilligen Vergütung (weiterhin) oberhalb des herabgesetzten Betrages liegt, ist der Klage in Höhe des danach ermittelten, für die Gesellschaft noch billigen Betrags stattzugeben. Dem Gericht ist es bei der Entscheidung über eine auf die volle oder auf eine oberhalb des herabgesetzten Betrags liegende Vergütung hingegen verwehrt, die Bezüge über den vom Aufsichtsrat beschlossenen Herabsetzungsbetrag hinaus zu mindern – selbst wenn die Vergütung nach den gesetzlichen Vorgaben noch weiter hätte herabgesetzt werden müssen.

Bei der rechtlichen Prüfung der Billigkeit i.S.d. § 87 Abs. 2 S. 1 AktG hat das Gericht sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Insbesondere hat es einerseits den Umfang der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft gegenüber dem Zeitpunkt der Vereinbarung der Vergütung sowie weiter zu berücksichtigen, in welchem Grad die Verschlechterung dem Vorstandsmitglied zurechenbar ist und ob er sie gegebenenfalls sogar pflichtwidrig herbeigeführt hat. Andererseits dürfen die persönlichen Verhältnisse des Vorstandsmitglieds bei der Billigkeitsprüfung nicht völlig unberücksichtigt bleiben.

Denn die Beurteilung, ob die Zahlung eines bestimmten Betrags trotz der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft für diese billig oder unbillig ist, kann im Einzelfall davon abhängen, in welchem Umfang dem Vorstandsmitglied die Herabsetzung der Vergütung wegen seiner persönlichen Verhältnisse noch zumutbar ist. Da die Gesellschaft mit der von ihr einseitig erklärten Herabsetzung von der vereinbarten Vergütung abweichen will, trägt sie grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Herabsetzung dem Grunde und der Höhe nach. Soweit es im Rahmen der Billigkeitsprüfung darauf ankommt, ob und in welchem Umfang die Herabsetzung für das Vorstandsmitglied zumutbar ist, muss dieses seine persönlichen Verhältnisse entsprechend vortragen und ggf. beweisen.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass sich der Aufsichtsrat umfangreiche Gedanken über die Angemessenheit der Vergütung macht, weil sonst eine gerichtliche Anpassung erfolgt. Allerdings hat es der BGH versäumt, konkrete und für den Rechtsanwender einfach zu ermittelnde Grundsätze aufzustellen. Die Ausführungen des Gerichtes an diesem Punkt sind recht allgemein gehalten. Hilfreich ist wohl insoweit lediglich der Hinweis, dass die Vergütung der übrigen leitenden Angestellten kein Maßstab ist. Da auch auf den Verschuldensbeitrag des Vorstandsmitglieds an der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der AG abzustellen ist und dieser schwierig zu konkretisieren sein dürfte, wird es künftig wohl regelmäßig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen über eine Herabsetzung der Vergütung kommen. Es bleibt zu hoffen, dass die Gerichte dann etwas konkretere Hinweise für die Rechtsanwender geben.

BGH, Urt. v. 27.10.2015 - II ZR 296/14

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz