Wird über einen Internetanschluss, den mehrere Familienmitglieder nutzen können, eine Rechtsverletzung begangen, trägt der Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast. Allein der Hinweis auf einen möglichen selbstständigen Datentransfer und Hackerangriff reicht hierfür nicht aus. Das hat das Amtsgericht München im Fall eines illegalen Download-Angebots entschieden.
Darum geht es
Die Klägerin macht Ansprüche aus Verletzung ihrer Urheberrechte an dem Film „Für immer Single?“ geltend. Im Zeitraum vom 31.05.2014, 23:34:29 bis 01.06.2014, 00:27:45 Uhr wurde das Werk „Für immer Single?“ von der IP-Adresse, die der Beklagten zugeordnet werden konnte, zum Download angeboten.
Die Klägerin beauftragte einen Dienstleister mit der Ermittlung von IP- Adressen, über welche der kurz zuvor erschienene Film illegal zum Download angeboten würde.
Auf Grundlage dessen Ermittlungsergebnisses beantragte sie erfolgreich beim zuständigen Gericht, den Provider zur Herausgabe der dieser IP-Adresse zuordenbaren Personendaten des Anschlussinhabers zu verpflichten.
Die Klägerin mahnte die so ermittelte Beklagte am 12.06.2014 schriftlich ab und forderte sie auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und - insoweit erfolglos - ihr Schadensersatz und die bis dahin entstandenen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagte behauptet, dass sie es nicht gewesen sei. Sie habe sich zum fraglichen Zeitpunkt im Bett befunden. Der Computer könnte mittels internen Passworts von jedem in der Familie benutzt werden. Nachts sei der Computer auch immer ausgeschaltet.
Der WLAN-Zugang sei ordnungsgemäß per WPA 2 verschlüsselt und mit Passwort gesichert gewesen. In der Familie sei darüber gesprochen worden, dass keine geschützten Inhalte heruntergeladen werden dürften und man sei sich einig gewesen, dass man keine File-Sharing-Software benutzen wollte.
Es habe nicht aufgeklärt werden können, wer den PC benutzt habe. Es könne sich daher nur um einen selbstständige Datentransfer oder einen Hackerangriff gehandelt haben. Neben dem Betriebssystem und der üblichen Anwendersoftware sei kein zusätzliches Programm, insbesondere keine File-Sharing-Software auf ihrem PC installiert gewesen.
Der gerichtlich beauftragte Sachverständige war zu dem Ergebnis gekommen, dass die von der Beklagten bestrittenen Feststellungen des beauftragten Dienstleisters zuträfen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die zuständige Richterin am Amtsgericht München gab der Klägerin Recht und verurteilte die beklagte Ehefrau und Mutter zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.391 € nebst Zinsen und Kosten, die auch Kosten für ein Sachverständigengutachten von 3.441,24 € umfassen.
Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, trägt der Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast.
Dieser entspricht er dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Insoweit ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet.
So kann nicht ausreichend sein, dass im Lichte der Familie allein die pauschale Möglichkeit des Internetzugriffs von Familienmitgliedern genügt, um der sekundären Darlegungslast nachzukommen.
Vielmehr sind konkrete Nachforschungen des Tatzeitpunktes erforderlich. Der BGH geht sogar so weit, dass der Anschlussinhaber zur Nutzungssituation im konkreten Tatzeitpunkt Nachforschungen anstellen muss und die erlangten Erkenntnisse mitteilt, und zwar auch dann, wenn hierdurch ein Familienmitglied als Täter benannt werden muss.
Die Beklagte berief sich darauf, dass auch die anderen Familienmitglieder Zugang hätten, der Computer nachts ausgeschaltet gewesen sei und es sich um einen selbstständigen Datentransfer gehandelt haben müsse. Diese Ausführungen können hier den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast nicht genügen.
Was die Höhe des von der Beklagten zu leistenden Schadensersatzbetrages angeht, ist von einer Abruflizenzgebühr für den legalen Abruf von 11,76 € auszugehen.
Dabei ist hier die große Anzahl der Verbreitung des Werkes aufgrund der hinter den Tauschbörsen stehenden anonymen Nutzer und des größeren Umfangs der Datei im Vergleich zu einem Musiktitel zu berücksichtigen. Weiterhin ist die oben bereits dargestellte Aktualität des Werkes zu berücksichtigen.
Da nach Auffassung des Gerichts aufgrund der Verbreitung in einem anonymen Netzwerk zwar größere Abnehmerzahlen erreicht werden können, jedoch die Abrufdauer eher als kurzfristige Bereitstellung angesehen wird und das Werk auch einen größeren Umfang aufweist, was zu einem größeren Zeitaufwand beim Abruf der Datei führt, schätzt das Gericht die Zahl der bei einem hypothetischen Vertragsschluss anzunehmenden Abrufe auf 100.
Somit hätte nach Schätzung des Gerichts eine Abruflizenz bei 1.176 € vereinbart werden können und somit stellt dies auch den hier zuzusprechenden Schaden dar. Das Gericht sprach auch Ersatz für Rechtsanwaltsgebühren von zweimal 107,50 € zu.
Das Urteil ist nach Zurückweisung der Berufung rechtskräftig.
Amtsgericht München, Urt. v. 20.08.2019 - 114 C 22559/17
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 21.08.2020