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Haftung des Europäische Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF)

Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung und die Europ. Kommission haben sich, indem sie den Gerichtsbehörden und der Presse Informationen übermittelt haben, in einer Weise fehlerhaft verhalten, die geeignet ist, die Haftung der Gemeinschaft auzulösen.

Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) hat insbesondere den Auftrag, innerhalb der Organe administrative Untersuchungen durchzuführen, die dazu dienen, schwerwiegende Handlungen aufzudecken, die eine Verletzung der Verpflichtungen der Beamten und Bediensteten der Gemeinschaften, die disziplinarisch und gegebenenfalls strafrechtlich geahndet werden kann, darstellen können.

Die Kontrollen, Überprüfungen und Maßnahmen, die die Bediensteten des OLAF in Wahrnehmung ihrer Aufgaben durchführen, unterliegen einer Verordnung aus dem Jahr 1999. Nach dieser Verordnung müssen die Untersuchungen gemäß dem Vertrag und insbesondere unter vollständiger Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie des Rechts der Beteiligten, zu den sie betreffenden Sachverhalten Stellung zu nehmen, durchgeführt werden.

Mehrere interne Prüfungen bei Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften) ließen die Möglichkeit von Unregelmäßigkeiten im Finanzgebaren erkennen. Folglich leitete das OLAF mehrere Untersuchungen ein, die insbesondere die von Eurostat mit bestimmten Gesellschaften geschlossenen Verträge betrafen. 2002 und 2003 übermittelte das OLAF den luxemburgischen und französischen Gerichtsbehörden Akten, die sich auf Untersuchungen bezogen, wonach Herr Franchet, ehemaliger Generaldirektor bei Eurostat, und Herrn Byk, ehemaliger Direktor bei Eurostat, in diese Unregelmäßigkeiten verwickelt seien. 

Herr Franchet und Herr Byk erhoben beim Gericht erster Instanz Schadensersatzklage und machten geltend, sowohl das OLAF als auch die Kommission hätten im Lauf der Untersuchung Fehler begangen, sie hätten einen materiellen und schweren immateriellen Schaden erlitten und zwischen den begangenen Fehlern und dem daraus resultierenden Schaden bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang.

In seinem heutigen Urteil weist das Gericht das Vorbringen der Kommission zurück, die Schadensersatzklage sei teilweise verfrüht. Das Gericht erinnert daran, dass es im vorliegenden Verfahren nicht darum geht, ob die gerügten Sachverhalte erwiesen sind oder nicht. Dieses Verfahren betrifft vielmehr die Art und Weise, wie das OLAF ein Verfahren betrieben und abgeschlossen hat, in dem die Herren Franchet und Byk namentlich genannt werden und ihnen öffentlich – lange vor einer abschließenden Entscheidung – zur Last gelegt wird, dass sie möglicherweise für die festgestellten Unregelmäßigkeiten verantwortlich seien, sowie die Art, wie die Kommission sich im Zusammenhang mit dieser Untersuchung verhalten hat.

Das Gericht weist darauf hin, dass das OLAF die Herren Franchet und Byk über die Übermittlung der Akten an die luxemburgischen und französischen Gerichtsbehörden hätte informieren müssen und dass die Voraussetzungen für die Ausnahmefälle, in denen es erforderlich ist, für die Zwecke der Untersuchung absolute Geheimhaltung zu wahren, nicht gegeben sind. Das OLAF hat daher gegen die Verteidigungsrechte der Herren Franchet und Byk verstoßen. Außerdem verstößt die Tatsache, dass das OLAF sie öffentlich – auch über undichte Stellen in der Presse – als strafrechtlicher Verstöße schuldig bezeichnet hat, gegen die Grundsätze der Unschuldsvermutung, der Vertraulichkeit der Untersuchungen und der ordnungsgemäßen Verwaltung. Daraus folgt, dass dem OLAF mehrere Fehler unterlaufen sind, die geeignet sind, die Haftung der Gemeinschaft auszulösen.

Das Gericht prüft sodann, ob sich die Kommission rechtswidrig verhalten hat, indem sie bestimmte Informationen im Rahmen der fraglichen Untersuchungen verbreitete. Dem Urteil zufolge können die Organe zwar nicht daran gehindert werden, die Öffentlichkeit über laufende Untersuchungen zu unterrichten, doch kann im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission dies mit aller Diskretion und aller gebotenen Zurückhaltung getan und dabei das richtige Gleichgewicht zwischen den Interessen der Herren Franchet und Byk und denen des Organs gewahrt hat. Daraus folgt, dass die Kommission ausreichend qualifizierte Verstöße gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung begangen hat, um die Haftung der Gemeinschaft auszulösen.

Schließlich stellt das Gericht fest, dass sich wegen des Fehlverhaltens des OLAF und der Kommisssion die Herren Franchet und Byk ungerecht behandelt und frustriert gefühlt haben und dass durch dieses rechtswidrige Verhalten ihre Ehre und ihr beruflicher Ruf Schaden genommen haben. Das Gericht bemisst den Betrag dieses immateriellen Schadens unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles und des Umstands, dass ihr Ruf in sehr schwerwiegender Weise betroffen war, mit 56 000 Euro.

Quelle: Europ. Gericht Erster Instanz - Pressemitteilung vom 08.07.08