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Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile geändert

Der Bundestag hat die pauschale Rehabilitierung sogenannter „Kriegsverräter“ beschlossen.

Das bedeutet, dass bei der Aufhebung von nationalsozialistischen Unrechtsurteilen, die wegen des Tatbestands des "Kriegsverrats" ergangen sind, keine vorherige Einzelfallprüfung durch die Staatsanwaltschaft mehr notwendig ist.

Mit dem Gesetz zieht der Bundestag die Konsequenz aus neuen Forschungsergebnissen: Im Jahr 2007 hatten die Militärhistoriker Wolfram Wette und Detlef Vogel erstmals eine Studie zu den Urteilen vorgelegt, die im Zweiten Weltkrieg wegen "Kriegsverrat" ergangen sind. Sie zeigte, dass vor allem einfache Soldaten der Wehrmacht aufgrund dieser Strafvorschrift zum Tode verurteilt wurden. Die Anlässe dafür reichten von politischem Widerstand und der Hilfe für verfolgte Juden über kritische Äußerungen über den Krieg bis hin zu Schwarzmarktgeschäften. Ein verfassungshistorisches Gutachten, das das Bundesjustizministerium in diesem Jahr bei dem früheren Bundesverfassungsrichter Professor Hans H. Klein eingeholt hat, zeigte zudem: Die Strafvorschrift "Kriegsverrat" (§ 57 des einstigen Militärstrafgesetzbuches) war mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schlechterdings unvereinbar. Der Tatbestand war nicht hinreichend bestimmt und sah als einzige Rechtsfolge die Todesstrafe vor.

"Auch wenn vielleicht nicht alle, die wegen Kriegsverrat zum Tode verurteilt wurden, politische Widerstandskämpfer gewesen sind, so waren sie doch alle Opfer einer verbrecherischen Justiz, die zur Aufrechterhaltung des Nazi-Regimes tötete", erklärte Bundesjustizministerin Zypries. "Diese Urteile können in unserem Rechtsstaat keinen Bestand haben. Sie müssen deshalb pauschal aufgehoben werden."

Zur Änderung der Rechtslage im Einzelnen:

Das 1998 ergangene "Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege" (NS-AufhG) hebt alle Strafurteile auf, die - so § 1 des Gesetzes - "unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind". Unrechtsurteile sind danach insbesondere solche Urteile, die auf einem der Straftatbestände beruhen, die in der Anlage zum NS-AufhG ausdrücklich genannt sind. Diese Anlage umfasst mehr als 100 Straftatbestände (unter anderem Hochverrat, Landesverrat, Wehrkraftzersetzung, Desertion). Urteile aufgrund dieser Straftatbestände sind durch das Gesetz schon bislang ohne Einzelfallprüfung aufgehoben.

Bei Urteilen, die aufgrund von Tatbeständen ergangen sind, die nicht in der Anlage genannt sind, muss dagegen bislang im Einzelfall geprüft werden, ob das Urteil Unrecht gewesen und somit aufgehoben ist. Durch die Aufnahme des § 57 des einstigen Militärstrafgesetzbuches (Kriegsverrat) in die Anlage zum NS-AufhG werden nunmehr alle Strafurteile, die wegen Kriegsverrats ergangen sind, als Unrechtsurteile definiert und pauschal aufgehoben. Die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung entfällt.

Die Staatsanwaltschaften stellen auf Antrag eine Bescheinigung darüber aus, dass ein Urteil aufgehoben ist. Antragsberechtigt sind der Verurteilte, nach seinem Tode seine Verwandten und Verschwägerten gerader Linie, seine Geschwister, der Ehegatte und der Verlobte (§ 6 Abs. 1 NS-AufhG). Örtlich zuständig ist die Staatsanwaltschaft, die einstmals das Verfahren eingeleitet hat, das zur Verurteilung führte. Wenn dort heute keine deutsche Gerichtsbarkeit ausgeübt wird oder sich die Staatsanwaltschaft nicht bestimmen lässt, ist der Wohnsitz des Betroffenen maßgeblich. Im Zweifelsfall bestimmt der Bundesgerichtshof die zuständige Staatsanwaltschaft (§ 6 Abs. 2 NS-AufhG).

Quelle: BMJ - Pressemitteilung vom 08.09.09