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EuGH untersagt Diskriminierung bei Opferentschädiung

Das Gemeinschaftsrecht steht Rechtsvorschriften entgegen, die in bestimmten Fällen Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten allein aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit von einer Entschädigung ausschließen.

Sachverhalt:

Der britische Staatsangehörige James Wood wohnt, arbeitet und zahlt Steuern in Frankreich, wo er seit mehr als 20 Jahren mit seiner Ehefrau, einer französischen Staatsangehörigen, lebt. Die drei gemeinsamen Kinder haben ebenfalls die französische Staatsangehörigkeit. Bei einem Verkehrsunfall in Australien verunglückte das älteste dieser Kinder tödlich.

Die Familie wandte sich an die Commission d’indemnisation des victimes d’infractions du tribunal de grande instance de Nantes (Ausschuss für die Entschädigung der Opfer von Straftaten beim Tribunal de grande instance de Nantes) und beantragte, den immateriellen Schaden, den die Familienmitglieder erlitten hatten, zu ersetzen. Die Commission d’indemnisation beurkundete die Vereinbarung mit dem Fonds de Garantie (Garantiefonds) über die Höhe der geforderten Entschädigung, die die Hinterbliebenen der Verstorbenen erhalten sollten, nicht aber deren Vater. Nach Ansicht des Fonds de garantie erfüllt Herr Wood nicht die Voraussetzungen des Code de procédure pénale (Strafverfahrensgesetzbuch), wonach der Antragsteller die französische Staatsangehörigkeit besitzen oder die Straftat im Inland begangen worden sein muss.

Herr Wood focht die ablehnende Entscheidung an und erhob Klage beim Tribunal de grande instance de Nantes, das den Gerichtshof nach der Vereinbarkeit der französischen Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht fragt.

Entscheidung:

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die Situation von Herrn Wood, der in Frankreich wohnt und arbeitet, in den Anwendungsbereich des Vertrags fällt und dass er sich auf sein Recht berufen kann, nicht aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminiert zu werden.

Der Gerichtshof weist sodann darauf hin, dass nach dem Diskriminierungsverbot gleiche Sachverhalte nicht ungleich und ungleiche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen. Eine solche Behandlung wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruhte und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimerweise verfolgten Zweck stünde.

Nach Ansicht des Gerichtshofs befindet sich Herr Wood in Bezug auf den Verlust seiner Tochter bei einem Verkehrsunfall, der sich außerhalb des Gebiets der Gemeinschaft zugetragen hat, und den daraus entstandenen Schaden offensichtlich in einer Situation, die mit derjenigen einer Person wie seiner französischen Ehefrau vergleichbar ist. Abgesehen von ihrer Staatsangehörigkeit unterscheidet sich beider Situation im Hinblick auf die Voraussetzungen für das Recht auf Entschädigung nicht. Dennoch hat aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nur die Ehefrau von Herrn Wood eine Entschädigung erhalten.

Somit stellt diese Ungleichbehandlung, die ausdrücklich und ausschließlich auf die Staatsangehörigkeit von Herrn Wood gestützt wird, eine unmittelbare Diskriminierung dar, die nicht gerechtfertigt werden kann.

Unter diesen Umständen kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass das Gemeinschaftsrecht Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den hier streitigen französischen entgegensteht, die Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten, die im ersten Mitgliedstaat wohnen und arbeiten, allein aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit von einer Entschädigung ausschließen, mit der Schäden ersetzt werden sollen, die Folge von Beeinträchtigungen einer Person durch eine Straftat sind, die nicht im ersten Mitgliedstaat begangen wurde.

Quelle: EUGH - Pressemitteilung vom 05.06.08