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EuGH kippt Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung

Der EuGH hat die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten für ungültig erklärt. Der schwerwiegende Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen sei  nicht auf das absolut Notwendige beschränkt und damit unverhältnismäßig.

Darum geht es

Mit der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten sollen in erster Linie die Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Vorratsspeicherung bestimmter von den Anbietern öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder den Betreibern eines öffentlichen Kommunikationsnetzes erzeugter oder verarbeiteter Daten harmonisiert werden. Die Richtlinie soll damit sicherstellen, dass die Daten zwecks Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten wie organisierter Kriminalität und Terrorismus zur Verfügung stehen. Die Richtlinie sieht daher vor, dass die genannten Anbieter und Betreiber die Verkehrs- und Standortdaten sowie alle damit in Zusammenhang stehenden Daten, die zur Feststellung des Teilnehmers oder Benutzers erforderlich sind, auf Vorrat speichern müssen. Dagegen gestattet sie keine Vorratsspeicherung des Inhalts einer Nachricht und der abgerufenen Informationen. Den auf Vorrat gespeicherten Daten ist zu entnehmen, mit welcher Person ein Teilnehmer oder registrierter Benutzer auf welchem Weg kommuniziert hat, wie lange die Kommunikation gedauert hat und von welchem Ort aus sie stattfand und wie häufig der Teilnehmer oder registrierte Benutzer während eines bestimmten Zeitraums mit bestimmten Personen kommuniziert hat.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Mit seinem  Urteil erklärt der EuGH die Richtlinie für ungültig. Aus der Gesamtheit der gespeicherten Daten können sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen gezogen werden, etwa auf Gewohnheiten des täglichen Lebens, ständige oder vorübergehende Aufenthaltsorte, tägliche oder in anderem Rhythmus erfolgende Ortsveränderungen, ausgeübte Tätigkeiten, soziale Beziehungen und das soziale Umfeld. Der Gerichtshof sieht in der Verpflichtung zur Vorratsspeicherung dieser Daten und der Gestattung des Zugangs der zuständigen nationalen Behörden zu ihnen einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten. Außerdem könne der Umstand, dass die Vorratsspeicherung der Daten  vorgenommen wird, ohne dass der Teilnehmer oder der registrierte Benutzer darüber informiert wird, bei den Betroffenen das Gefühl zu erzeugen, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung ist. Der EuGH kommt letztlich zu dem Ergebnis, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten die Grenzen überschritten hat, die er zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einhalten musste.Folgende Gesichtspunkte spielen dabei eine Rolle:
  • Die Richtlinie erstreckt sich generell auf sämtliche Personen, elektronische Kommunikationsmittel und Verkehrsdaten, ohne irgendeine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme anhand des Ziels der Bekämpfung schwerer Straftaten vorzusehen.
  • Die Richtlinie sieht kein objektives Kriterium vor, das es ermöglicht, den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den Daten und deren Nutzung zwecks Verhütung, Feststellung oder strafrechtlicher Verfolgung auf Straftaten zu beschränken, die im Hinblick auf das Ausmaß und die Schwere des Eingriffs in die fraglichen Grundrechte als so schwerwiegend angesehen werden können, dass sie einen solchen Eingriff rechtfertigen.
  • Die Richtlinie nimmt lediglich allgemein auf die von jedem Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht bestimmten „schweren Straftaten“ Bezug. Überdies enthält die Richtlinie keine materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den Daten und deren spätere Nutzung. Vor allem unterliegt der Zugang zu den Daten keiner vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle.
  • Die Richtlinie gibt eine Dauer der Vorratsspeicherung der Daten von mindestens sechs Monaten vor, ohne dass eine Unterscheidung zwischen den Datenkategorien anhand der betroffenen Personen oder nach Maßgabe des etwaigen Nutzens der Daten für das verfolgte Ziel getroffen wird. Die Speicherungsfrist liegt zudem zwischen mindestens sechs und höchstens 24 Monaten, ohne dass die Richtlinie objektive Kriterien festlegt, die gewährleisten, dass die Speicherung auf das absolut Notwendige beschränkt wird.
  • Die Richtlinie bietet keine hinreichenden Garantien dafür, dass die Daten wirksam vor Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang und jeder unberechtigten Nutzung geschützt sind.
  • Richtlinie schreibt keine Speicherung der Daten im Unionsgebiet vor. Sie gewährleistet damit nicht in vollem Umfang, dass die Einhaltung der Erfordernisse des Datenschutzes und der Datensicherheit durch eine unabhängige Stelle überwacht wird, obwohl die Charta dies ausdrücklich fordert. 

Hinweis

Da der EuGH die zeitliche Wirkung seines Urteils nicht begrenzt hat, wird die Ungültigerklärung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie wirksam. EuGH, Urt. v. 08.04.2014 - C-293/12

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 08.04.2014