Der BGH hat in zwei Verfahren über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen entschieden. Die Richter stellten die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrungen in den Vertragsunterlagen der Banken fest. Die Fälle betreffen den sogenannten „Widerrufsjoker“, auf den Verbraucherschützer bei einer Vielzahl von früheren Immobilienfinanzierungen hingewiesen hatten.
Verfahren XI ZR 564/15
Die Kläger schlossen im April 2008 mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über einen Nennbetrag in Höhe von 50.000 €. Als Sicherheit der Beklagten dienten Grundpfandrechte. Die Beklagte belehrte die Kläger über ihr Widerrufsrecht. Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Unter dem 24.06.2013 widerriefen sie ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung. Sie leisteten an die Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht weitere 40.625,33 €.
Ihre Klage auf Zahlung der Differenz zwischen diesem Betrag und dem von ihnen als der Beklagten bei Wirksamwerden des Widerrufs noch geschuldet berechneten Betrag von 34.809,73 €, folglich auf Zahlung von 5.815,60 €, hat das Landgericht abgewiesen. Auf ihre Berufung hat das Oberlandesgericht den Klägern einen Teil der Klageforderung zuerkannt und das Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die vom Oberlandesgericht zugelassene und gegen den zusprechenden Teil gerichtete Revision der Beklagten hat der BGH zurückgewiesen. Auf die Anschlussrevision der Klägerin zu 2, die sie zugleich als Rechtsnachfolgerin des Klägers zu 1 eingelegt hat, hat der BGH unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen die Beklagte zur Zahlung eines geringen weiteren Betrages verurteilt.
Das Oberlandesgericht hat richtig gesehen, dass bei Ausübung des Widerrufsrechts am 24.06.2013 die Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen war.
Die dem Darlehensvertrag beigegebene Widerrufsbelehrung, die dahin lautete, die Widerrufsfrist beginne „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, belehrte die Kläger schon nicht hinreichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des vom Verordnungsgeber eingeführten Musters für die Widerrufsbelehrung kann sich die Beklagte nicht berufen, weil sie gegenüber dem Muster erhebliche Änderungen vorgenommen hat.
Die Kläger haben das Widerrufsrecht weder verwirkt noch sonst unzulässig ausgeübt. Lediglich bei den aus dem Widerruf resultierenden Rechtsfolgen hat das Oberlandesgericht nicht hinreichend beachtet, dass zwischen den Parteien unstreitig geblieben ist, dass die Kläger zum 30.04.2008 eine Zahlung in Höhe von 375 € und nicht nur in Höhe von 125 € an die Beklagte erbracht haben.
Verfahren XI ZR 501/15
Der Kläger schloss noch unter der Geltung des Haustürwiderrufsgesetzes und nach seiner Behauptung nach Anbahnung in einer Haustürsituation am 25.11.2001 mit der Beklagten einen Darlehensvertrag, der der Finanzierung einer Beteiligung an einer Fondsgesellschaft diente. Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt.
Der Kläger führte das Darlehen bis zum 15.01.2007 vollständig zurück. Mit Schreiben vom 20.06.2014 widerrief er seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung. Seine auf Zahlung und Freistellung Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligung und auf Feststellung gerichtete Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der BGH hat auf die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Klägers das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Widerrufsbelehrung war - zugunsten des Klägers die Anbahnung des Darlehensvertrags in einer Haustürsituation und damit das Bestehen eines Widerrufsrechts nach dem Haustürwiderrufsgesetz unterstellt - nicht korrekt.
Denn sie bezog die Unterschrift des Verbrauchers zugleich auf den Belehrungstext selbst und auf eine unmittelbar an den Belehrungstext anschließende Empfangsbestätigung. Das Oberlandesgericht hat aber bei der Entscheidung der Frage, ob die Ausübung des Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich war, unzutreffend gemeint, dem Kläger zur Last legen zu können, er habe sich über den Widerruf von den negativen Folgen einer unvorteilhaften Investition lösen wollen. Das Oberlandesgericht durfte das Motiv des Klägers für die Ausübung des Widerrufsrechts nicht allein deshalb zulasten des Klägers in seine Gesamtabwägung einbeziehen, weil es außerhalb des Schutzzwecks des Haustürwiderrufsgesetzes lag.
Das Oberlandesgericht wird zu klären haben, ob, wovon das Bestehen eines Widerrufsrechts nach dem Haustürwiderrufsgesetz abhängt und was die Beklagte bestreitet, der Darlehensvertrag tatsächlich in einer Haustürsituation angebahnt wurde. Gegebenenfalls wird es zu prüfen haben, ob der Kläger aus sonstigen Gründen rechtsmissbräuchlich gehandelt hat und ob das Widerrufsrecht des Klägers verwirkt ist.
BGH, Urteile v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15 und XI ZR 501/15
Quelle: BGH, Pressemitteilungen v. 12.07.2016