Der BGH hat festgestellt, dass ein Patent des Computer- sowie Handyherstellers „Apple“ nicht besteht. Es geht dabei um die Schiebe-Geste zum Entsperren des iPhones und iPads. Auch wenn die Bundesrichter dem Bundespatentgericht in der Begründung widersprachen, gaben sie diesem doch im Ergebnis recht: Die „Apple“-Anwendung beruht demnach nicht auf einer „erfinderischen Tätigkeit“.
Darum geht es
Die beklagte „Apple Inc." ist Inhaberin des auch in Deutschland geltenden europäischen Patents 1 964 022 (Streitpatents). Die Klägerin Motorola Mobility Germany GmbH hat das Streitpatent mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen.
Die Erfindung betrifft eine Maßnahme zum Entsperren einer tragbaren elektronischen Vorrichtung mit berührungsempfindlichem Bildschirm (Touchscreen), beispielsweise eines Mobiltelefons. Nach den Ausführungen der Patentschrift war es bekannt, solche Geräte gegen unabsichtliche Funktionsauslösung durch zufälligen Berührungskontakt zeitweise zu sperren und durch Berührung bestimmter Bildschirmbereiche in einer vorgegebenen Reihenfolge wieder zu entsperren.
Das Streitpatent möchte das Entsperren benutzerfreundlicher gestalten. Es schlägt daher im Wesentlichen vor, dass der Nutzer zum Entsperren des Geräts eine bestimmte (Finger-)Bewegung (Wischbewegung) auf der Berühroberfläche ausführt. Dabei wird ihm auf dem Bildschirm eine grafische Hilfestellung gegeben, indem sich ein Entsperrbild „im Einklang mit der Fingerbewegung“ auf einem vorgegebenen Pfad auf dem Bildschirm bewegt.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent gemäß Art. II § 6 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt und auch die hilfsweise verteidigten beschränkten Fassungen des Patents für nicht rechtsbeständig gehalten. Der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig (Art. 52 Abs. 1 EPÜ), weil er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Art. 56 Satz 1 EPÜ).
Das von dem schwedischen Hersteller „Neonode“ vertriebene Mobiltelefon N1 nehme alle Merkmale der Erfindung bis auf die Anweisung vorweg, dem Nutzer auf dem Bildschirm ein Entsperrbild anzuzeigen, das sich im Einklang mit der - als solche bekannten - Fingerbewegung auf einem vorgegebenen Pfad auf dem Bildschirm bewegt.
Dieses Merkmal sei jedoch bei der Beurteilung der Patentfähigkeit nicht zu berücksichtigen, weil es kein technisches Problem löse, sondern lediglich auf die Vorstellung des Benutzers einwirke, indem es durch grafische Maßnahmen die Bedienung des Geräts vereinfache.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der BGH hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Er hat zwar bei der Prüfung der Patentfähigkeit - anders als das Bundespatentgericht - berücksichtigt, dass die Erfindung insofern über den durch das Mobiltelefon „Neonode N1“ verkörperten Stand der Technik hinausgeht, als die Entsperrung dem Benutzer durch eine den Entsperrvorgang begleitende grafische Darstellung angezeigt wird.
Eine solche benutzerfreundlichere Anzeige war dem Fachmann jedoch durch den Stand der Technik nahegelegt. Denn dort wird ein „virtueller Schalter“ beschrieben, der durch eine Wischbewegung auf einem berührungsempfindlichen Bildschirm mittels „Verschiebens“ eines grafischen Objekts einen Schieberegler imitiert. Das Streitpatent beruht daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
BGH, Urt. v. 25.08.2015 - X ZR 110/13
Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 25.08.2015