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Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr

Lernfall zur Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Rahmen eines Mehrvergleichs mit zwei Verfahrensgebührenbei mehreren Auftraggebern.

Bei der Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die späteren Verfahrensgebühr stellt sich im Rahmen eines Mehrvergleichs mit zwei Verfahrensgebühren in unterschiedlicher Höhe die Frage, ob zuerst auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist oder ob zuerst der Abgleich nach § 15Abs. 3RVG durchgeführt wird und danach die Anrechnung vorgenommen wird.

Das OLG Stuttgart (Beschl. v. 09.01.2009 – 8 W 527/08) rechnet zuerst an und führt danach den Abgleich nach § 15 Abs. 3 RVG durch. Es stützt sich auf den Wortlaut des Gesetzes, wonach die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist und nicht auf einen rechnerischen Kürzungsbetrag. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BGH über die Entstehung einer verminderten Verfahrensgebühr bei einer vorgerichtlichen Tätigkeit. Außerdem ergibt sich dadurch ein wirtschaftlich besseres Ergebnis.

Lernfall:

RechtsanwaltP erhält den Auftrag vonzwei Mandanten zur Geltendmachung einer Forderung in Höhe von 120.000 €. Nach Zurückweisung des Anspruchs durch die Gegenseite erhebt Rechtsanwalt P Klage vor dem Landgericht. In der mündlichen Verhandlung wird unter Einbeziehung einer weiteren bisher weder gerichtlich noch außergerichtlich geltend gemachten Forderung in Höhe von 23.000 € ein Vergleich geschlossen.

1. außergerichtliche Tätigkeit

Satz Gebühr VV Nr. Wert in EUR Betrag in EUR
1,6 Geschäftsgebühr 2300, 1008

120.000

2.289,60

Auslagenpauschale 7002

20,00

2. gerichtliche Tätigkeit

Satz Gebühr VV Nr.

Wert in EUR

Vorspalte

Betrag in EUR

1,6 Verfahrensgebührein weiterer Auftraggeber 3100, 1008

120.000

2.289,60

0,75 Anrechnung Geschäftsgebühr Vorb. 3 Abs. 4

120.000

-1073,25

1,1 (Differenz) Verfahrensgebühr, ein weiterer Auftraggeber 3101 Ziff. 2, 1008

23.000

754,60

Zwischensumme

1.970,95

1.970,95

1,6 Abgleich § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als

143.000

2.536,00

1,2 Terminsgebühr 3104

143.000

1.902,00

1,0 Einigungsgebühr 1003

120.000

1.585,00

1,5 Einigungsgebühr 1000

23.000

1.029,00

= 2.614,00

1,5 Abgleich § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als

143.000

2.377,50

2.377,50

Auslagenpauschale 7002

20,00

Die Geschäftsgebühr ist zunächst anzurechnen. Erst dann ist die verminderte Verfahrensgebühr abzugleichen nach § 15 Abs. 3 RVG. Die Anrechnung erfolgt in diesem Fall nur auf die 1,6 Verfahrensgebühr, weil nur für diesen Streitwert die außergerichtliche Vertretung erfolgte. Für den einbezogenen Betrag in Höhe von 23.000 € ist RA P nicht tätig geworden. Somit kann auch keine Geschäftsgebühr entstanden sein. Die Anrechnung der erhöhten Geschäftsgebühr von 1,6 bleibt auf den Höchstsatz 0,75 nach Vorb . 3 Abs. 4 VV RVG beschränkt KG Beschl. 29.7.08 – 1 W 73/08.

Quelle: Rechtsanwalt Dr. Ulrich Prutsch - vom 02.04.09