BGH, Urt. v. 06.07.2011 - VIII ZR 317/10
Bei einer Eigenbedarfskündigung dürfen keine zu strengen Anforderungen an die Darlegung des Kündigungsgrunds gestellt werden.
Darum geht es:
Die Mieterin einer Einzimmerwohnung lebte in München. Der Vermieter kündigte am 29.04.2008 das Mietverhältnis zum 31.01.2009. Er begründete die Kündigung in seinem Kündigungsschreiben damit, dass er die Wohnung ab diesem Zeitpunkt für seine Tochter benötige. Diese absolviere seit Ende Februar 2008 ein Studienjahr in Neuseeland und werde danach ihr Studium im München fortsetzen. Dafür wolle sie einen eigenen Hausstand begründen. Ihr früheres Kinderzimmer könne Sie nicht mehr beziehen, weil dieses nun von ihrer Schwester benutzt werde. Weil die Mieterin nicht auszog, verklagte sie der Vermieter auf Räumung der Wohnung.
Das AG München gab der Räumungsklage des Vermieters statt.
Aufgrund der hiergegen eingelegten Berufung der Mieterin wies das LG München I mit Urteil vom 24.11.2010 (14 S 15600/09) die Klage des Vermieters ab. Nach Ansicht der Richter hätte der Vermieter im Kündigungsschreiben vor allem nähere Angaben zur derzeitigen Wohnsituation seiner Tochter machen müssen. Die Angaben seien zu ungenau. Der Hinweis auf das Kinderzimmer reiche nicht aus, weil die Tochter dort vor dem Beginn ihres Studiums im Ausland gar nicht mehr gewohnt habe. Dabei spiele es keine Rolle, inwieweit die Mieterin diese Umstände bereits kannte. Vielmehr fehle es an einer hinreichenden Begründung des Eigenbedarfs im Sinne von § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Hiergegen legte der Vermieter erfolgreich Revision beim BGH ein.
Wesentliche Entscheidungsgründe:
Der BGH gab der Revision des Vermieters statt und hob die Entscheidung des LG München I auf. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz hat der Vermieter nach Auffassung des BGH die Gründe für den Eigenbedarf ausreichend im Kündigungsschreiben erläutert. Es reicht aus, dass die Tochter wegen ihres Studiums nach München zurückkommt und einen eigenen Hausstand begründen möchte. Wie sie vor ihrem Auslandsaufenthalt dort gelebt hat, ist nach Auffassung des BGH gleichgültig. Maßgeblich ist, dass sie jetzt eine Wohnung in München benötigt.
Die BGH-Richter stellen klar, dass der Vermieter bei der Erläuterung der Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben auch auf vorangegangene Schreiben Bezug nehmen darf. Soweit der Mieter die maßgeblichen Umstände bereits kennt, müssen sie nicht im Kündigungsschreiben aufgeführt werden. So etwas wäre nach Ansicht des BGH eine „nicht zu rechtfertigende Förmelei".
Der BGH hat die Sache zurück verwiesen, damit das OLG München die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Folgerungen aus der Entscheidung:
Aus der Entscheidung ergibt sich, dass der Vermieter im Kündigungsschreiben die Gründe für den Eigenbedarf benennen, aber dabei nicht zu sehr ins Detail gehen muss. Darüber hinaus darf er auch auf die vorangegangene Korrespondenz verweisen.
Praxishinweis:
Als Rechtsanwalt sollten Sie den Vermieter darauf hinweisen, dass er bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs auf alle wichtigen Gründe ansprechen und im Kündigungsschreiben benennen sollte. Er muss die Gründe aber nicht näher erläutern, wenn er auf den vorangegangenen Schriftverkehr verweisen kann. Allerdings sollte ihm bewusst sein, dass er das Vorliegen der Umstände und die Mitteilung an den Mieter notfalls beweisen muss. Daher ist Vorsicht geboten, wenn er nicht nachweisen kann, dass dem Mieter wichtige Tatsachen bereits bekannt sind, etwa weil sie lediglich in einem persönlichen Gespräch thematisiert wurden. Auf jeden Fall sollte sich der Vermieter davor hüten, unzutreffende Tatsachen zu nennen. Anderenfalls muss er eventuell mit einer Strafanzeige wegen Betrugs rechnen.
Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs sollte der Vermieter beachten, dass er damit grundsätzlich nur durchkommt, wenn nahe Verwandte oder er selbst die Wohnung benötigen. Zu den nahen Verwandten zählen Kinder, Eltern und Geschwister. Bei entfernteren Verwandten ist eine Eigenbedarfskündigung schwieriger. Selbst wenn ein berechtigtes Interesse des Vermieters vorliegt, muss geprüft werden, ob der Auszug eventuell für den Mieter mit einer besonderen Härte verbunden ist, die ihm nicht zugemutet werden kann. Hier muss eine sorgfältige Abwägung im jeweiligen Einzelfall erfolgen.
Quelle: Harald Büring - vom 17.11.11