Eine fehlerhafte Beratung durch den Mieterschutzverein entschuldigt nicht ein vertragswidriges Verhalten des Mieters.
Daher kann der Vermieter von Wohnraum das Mietverhältnis ordentlich kündigen, wenn der Mieter unberechtigt Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von insgesamt mehr als zwei Monatsmieten einbehalten hat und dies auf dem Verschulden eines Mieterschutzvereins beruht, der den Mieter insoweit fahrlässig falsch beraten hat.
Sachverhalt:
Die Beklagten, Mieter einer (nicht preisgebundenen) Wohnung der Klägerin, leisteten für die Zeit von Frühjahr 2004 bis Anfang 2005 keine Vorauszahlungen auf die Betriebskosten, obwohl diese nach dem Mietvertrag monatlich geschuldet waren. Der Einbehalt geschah auf Empfehlung des örtlichen Mieterschutzvereins, der den Beklagten dazu geraten hatte, weil die Vermieterin trotz Aufforderung keine Fotokopien der Rechnungsbelege zu Betriebskostenabrechnungen für vergangene Jahre übersandt hatte.
In der Rechtsprechung wurde zu dieser Zeit noch unterschiedlich beurteilt, ob der Mieter preisfreien Wohnraums einen Anspruch gegen den Vermieter auf Überlassung von Fotokopien der Abrechnungsbelege zur Betriebskostenabrechnung hat.
Nachdem die rückständigen Zahlungen die Summe von zwei Monatsmieten überschritten hatten, erklärte die Klägerin die (fristgemäße) Kündigung des Mietverhältnisses. Mit der Klage hat sie Räumung und Herausgabe der Wohnung verlangt.
Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben; auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Entscheidung:
Der Bundesgerichtshof hat auf die vom Landgericht zugelassene Revision der Klägerin das Berufungsurteil aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts wiederhergestellt. Die Räumungsklage ist - wie der Bundesgerichtshof in dem heute verkündeten Urteil ausgeführt hat – begründet. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Kündigung, weil die Beklagten ihre vertraglichen Verpflichtungen schuldhaft nicht unerheblich verletzt haben (§ 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Der unberechtigte Einbehalt eines Betrags in Höhe von mehr als zwei Monatsmieten stellt eine nicht unerhebliche Vertragsverletzung dar. Die Beklagten waren nicht berechtigt, die laufenden Betriebskostenvorauszahlungen deshalb zurückzubehalten, weil die Klägerin ihnen keine Belege zu den Betriebskostenabrechnungen für vergangene Jahre übersandt hat. Wie der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 8. März 2006 (VIII ZR 78/05 - NJW 2006, 1419; Pressemitteilung Nr. 34/2006) entschieden hat, steht dem Mieter preisfreien Wohnraums grundsätzlich kein Anspruch gegen den Vermieter auf Überlassung von Fotokopien der Abrechnungsbelege zur Betriebskostenabrechnung zu.
Die Beklagten trifft zwar kein eigenes Verschulden, weil sie der entsprechenden Empfehlung des Mieterschutzvereins gefolgt sind. Sie durften von der Kompetenz des Mieterschutzvereins in Mietrechtsfragen ausgehen und hatten keinen Anlass, an dem erteilten Rat zu zweifeln. Die beklagten Mieter müssen aber – anders als das Berufungsgericht gemeint hat – auch für schuldhaftes Verhalten des von ihnen eingeschalteten Mieterschutzvereins einstehen. Denn auch der Mieter ist nach der geltenden gesetzlichen Regelung (§ 278 BGB) im Verhältnis zum Vermieter für das Verschulden derjenigen Personen verantwortlich, derer er sich im Rahmen der Erfüllung seiner mietvertraglichen Pflichten bedient; er kann gegebenenfalls bei diesen Personen Rückgriff nehmen.
Der Mieterschutzverein hat die Beklagten fahrlässig falsch beraten. Zu jener Zeit – vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. März 2006 - war in der Rechtsprechung der Instanzgerichte umstritten, ob dem Mieter nicht preisgebundenen Wohnraums ein Anspruch auf Übermittlung von Fotokopien der Abrechnungsbelege zur Betriebskostenabrechnung zusteht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsirrtum nur dann entschuldigt, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen braucht. Das war hier nicht der Fall. Angesichts der ungeklärten Rechtslage musste damit gerechnet werden, dass ein solcher Anspruch – und damit auch ein darauf gestütztes Zurückbehaltungsrecht – später von der Rechtsprechung verneint werden würde. Der Mieterschutzverein handelte deshalb fahrlässig, wenn er dem Mieter dennoch riet, die Betriebskostenvorauszahlungen zurückzubehalten.
Quelle: BGH - Pressemitteilung vom 25.10.06