Es kann von einer Partei nicht verlangt werden, im Fall der Erledigung eines Rechtsstreits die Kosten einer Antragsrücknahme auf sich zu nehmen, obwohl sie der Ansicht ist, dass ihr Antrag bis zum Eintritt der Erledigung zulässig und begründet gewesen und sie daher zur Kostentragung nicht verpflichtet sei.
LAG Frankfurt/Main, Beschl. v. 09.12.2009 — 4 Ta 598/09
Darum geht es
Die Parteien streiten über eine Kostenentscheidung nach der einvernehmlichen Erledigung der Hauptsache.
Die Beschwerdegegnerin betreibt ein Alten- und Pflegeheim. Die von den Philippinen stammende Beschwerdeführerin ist für sie als Krankenpflegehelferin tätig. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem TVöD. Die Beschwerdeführerin, die unstreitig über ein entsprechendes Urlaubsguthaben verfügte, beantragte für die Zeit vom 28.12.2009 bis zum 03.02.2010 die Gewährung von 28 Tagen Erholungsurlaub. Sie buchte am 08.09.2009 einen Hin- und Rückflug nach Manila vom 30.12.2009 bis zum 31.01.2010.
Die Stationsleitung befürwortete den Antrag. Die Geschäftsführung der Beschwerdegegnerin trug am 17.06.2009 auf den Urlaubsschein der Beschwerdeführerin ein, der Urlaub sei nicht genehmigt worden. "Laut Urlaubsregelung" seien nur drei Wochen möglich.
In der Folgezeit korrespondierten die Parteien ohne Erfolg.
Am 16.09.2009 reichte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein.
Im Kammertermin vom 29.09.2009 erklärte die Beschwerdegegnerin, die Beschwerdeführerin sei berechtigt, vom 26.12.2009 bis zum 03.02.2010 der Arbeit fern zu bleiben. Darauf erklärten die Parteien das Verfahren übereinstimmend für erledigt. Das Arbeitsgericht setzte hierauf den Gegenstandswert auf 3.618,44 € fest. Weiter erlegte es mit dem angefochtenen Beschluss die Kosten des Verfahrens der Beschwerdeführerin auf. Gegen den am 08.10.2009 zugestellten Beschluss legte die Beschwerdeführerin am 22.10.2009 sofortige Beschwerde ein, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist teilweise begründet. Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens sind gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO gegeneinander aufzuheben.
Nach dieser Norm ist im Fall einer übereinstimmenden Erledigungserklärung über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Summarische Prüfung
Grundlage der Entscheidung ist eine summarische Prüfung nach dem Sachstand zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung abzuhandeln.
Bleibt der Ausgang des Rechtsstreits auf der Grundlage dieser summarischen Prüfung offen, sind die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben. Dies ist hier der Fall.
Berücksichtigung von Billigkeitsgesichtspunkten
Zwar sind im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung des kostenrechtlichen Veranlassungsprinzips Billigkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen.
Hier hätte die Beschwerdeführerin aber im Fall einer Antragsrücknahme gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO Kosten zu tragen gehabt, nämlich zumindest die 0,4-Gebühr gemäß Nr. 8310 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Es kann von einer Partei nicht verlangt werden, im Fall der Erledigung eines Rechtsstreits derartige Kosten auf sich zu nehmen, obwohl sie der Ansicht ist, dass ihr Antrag bis zum Eintritt der Erledigung zulässig und begründet gewesen und sie daher zur Kostentragung nicht verpflichtet sei. Gibt sie in einer solchen Situation eine Erledigungserklärung ab, folgt sie lediglich dem gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO gesetzlich vorgesehenen Weg. Dies kann kein für die Verteilung der Kosten ausschlaggebender Gesichtspunkt sein.
Glaubhaftmachung
Der geltend gemachte Urlaubsanspruch war vor dem Eintritt des erledigenden Ereignisses von der Beschwerdegegnerin nicht ganz oder zum Teil erfüllt worden.
Ein Arbeitgeber erfüllt einen Urlaubsanspruch, wenn er den Arbeitnehmer gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG für einen kalendermäßig bestimmten Zeitraum zum Zweck der Urlaubserteilung unwiderruflich von der Arbeit freistellt (vgl. BAG, Urt. v. 09.08.1994 — 9 AZR 384/92).
Die Beschwerdegegnerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie der Beschwerdeführerin in diesem Sinne für einen bestimmten Zeitraum Urlaub erteilt hat.
Im Urlaubsschein der Beschwerdeführerin findet sich keine zeitliche Konkretisierung, sondern im Gegenteil die Aussage, Urlaub werde nicht genehmigt. Auch in der vorgerichtlichen schriftlichen Korrespondenz und im Prozessvortrag der Beschwerdegegnerin ist nur davon die Rede, dass sie die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen habe, dass diese drei bzw. vier Wochen Erholungsurlaub und im Übrigen eine unbezahlte Freistellung erhalten könne. Damit ist keine kalendermäßig bestimmte unwiderrufliche Freistellung i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG erfolgt.
Eilbedürftigkeit
Die Beschwerdeführerin konnte auch nicht auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Ein solches wäre auf die Erteilung von Urlaub und damit auf die Abgabe einer Willenserklärung zu richten gewesen. Ein obsiegendes Urteil wäre gemäß § 894 Satz 1 ZPO daher erst mit dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckbar gewesen. Einen Rechtsstreit über zwei Instanzen hätte die Beschwerdeführerin in der Hauptsache nicht bis zum Beginn des geplanten Urlaubs abschließen können. Zudem benötigte sie bereits vorher Klarheit, um über die Buchung bzw. die Stornierung ihres Fluges nach Manila disponieren zu können.
Interessenabwägung
Demnach wäre es entscheidungserheblich darauf angekommen, ob die von der Beschwerdegegnerin glaubhaft gemachten betrieblichen Interessen dem gemäß §§ 26 Abs. 1 TVöD, 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG an sich zusammenhängend zu gewährenden Urlaubsanspruch der Beschwerdeführerin entgegengestanden hätten.
Da der Beschwerdeführerin ein entsprechender Schriftsatz allerdings erstmals im Kammertermin vom 29.09.2009 übergeben wurde, hatte sie keine Gelegenheit, zu diesem Schriftsatz vor dem Eintritt des erledigenden Ereignisses sachgerecht Stellung zu nehmen.
Es ist im Rahmen der summarischen Prüfung gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht auszuschließen, dass sie in einer Stellungnahme diesen Vortrag hätte widerlegen oder dass sie überwiegende eigene Interessen hätte glaubhaft machen können. Da der Ausgang des Verfahrens daher nicht zu prognostizieren ist, sind dessen Kosten gegeneinander aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
Quelle: Redaktion Deubner - Beitrag vom 05.02.10