Kostenrecht -

Keine fiktive Anrechnung der Geschäftsgebühr bei Anwaltswechsel

Meldet eine Partei die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG zur Kostenfestsetzung an, so muss die Anrechnung einer zuvor verdienten Geschäftsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden.

Dies gilt unabhängig davon, ob diese Gebühr gegen den Gegner tituliert oder von ihm bereits beglichen worden ist (BGH NJW 2008, 1323). Ist die Geschäftsgebühr bei einem anderen Anwalt entstanden, so ist die Verfahrensgebühr anrechnungsfrei festzusetzen.

Der Kläger hatte sich außergerichtlich von einem Anwalt vertreten lassen. Im gerichtlichen Verfahren hatte er einen anderen Anwalt mandatiert. Zu diesem Anwaltswechsel war es gekommen, weil der erste Anwalt nicht absehen konnte, ob das gerichtliche Verfahren erledigt sein würde, bevor er in den Ruhestand geht.

Nach Abschluss des Rechtsstreits hat der Kläger die Festsetzung einer unverminderten 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG angemeldet. Den Einwand des Beklagten, die 1,3 Verfahrensgebühr müsse um die anzurechnende Geschäftsgebühr vermindert werden, hat das Gericht nicht durchgreifen lassen. Begründung: Eine Anrechnung komme nicht in Betracht, weil dies voraussetze, dass die Geschäftsgebühr bei demselben Anwalt angefallen ist, bei dem auch die Verfahrensgebühr entstanden ist. Das ist bei einem Anwaltswechsel nicht der Fall.

Dem Kläger konnte auch nicht vorgeworfen werden, dass er zwischen außergerichtlicher Vertretung und nachfolgendem Rechtsstreit den Anwalt gewechselt hat. Hier hätten nachvollziehbare Gründe vorgelegen. Anders wäre die Sache nur dann zu beurteilen, wenn der Anwaltswechsel dazu gedient hätte, die Anrechnungsvorschriften zu umgehen.

Praxishinweis

Die Anrechnung von Gebühren, die bei einem anderen Anwalt angefallen sind, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Eine Kürzung der festzusetzenden Verfahrensgebühr hätte nur mit der Begründung vorgenommen werden können, der Anwaltswechsel sei nicht notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO. Dann könnten die Gebühren nur in dem Umfang festgesetzt werden, in dem sie ohne Anwaltswechsel angefallen wären.

Es ist zu befürchten, dass die Rechtsprechung auf die ansonsten herausgearbeiteten Grundsätze zur Erstattung beim Anwaltswechsel während des Rechtsstreits zurückgreifen wird.

Andererseits muss einem Mandanten freistehen, in der Zeit zwischen der außergerichtlichen Vertretung und dem Rechtsstreit den Anwalt zu wechseln. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein anderer Anwalt die Prozessvertretung besser erledigen kann. Eine Partei ist nicht verpflichtet, sich vorgerichtlich durch einen Anwalt vertreten zu lassen. Vor diesem Hintergrund kann einer Partei auch nicht vorgeworfen werden, wenn sie vorgerichtlich einen anderen Anwalt einschaltet, als den, dem sie später die Prozessführung überträgt.

Quelle: Dr. Ulrich Prutsch, Rechtsanwalt, Köln - Beitrag vom 22.10.08