Urteilsbesprechung mit Praxishinweis: Bei Versöhnung zwischen den Eheleuten unter Mitwirkung der Prozessbevollmächtigten fällt eine Einigungsgebühr an.
Die Entscheidung: OLG Stuttgart, Beschl. v. 09.10.2008 — 8 WF 167/08, DRsp Nr. 2008/19565
Wird ein Verfahren auf Zuweisung der Ehewohnung übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem es unter Mitwirkung der Prozessbevollmächtigten der Parteien zu einer Versöhnung zwischen ihnen gekommen ist, fällt die Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 RVG-VV an, denn die Parteien haben nicht nur übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben, sondern zuvor eine materiell-rechtliche Einigung — durch schlüssiges Verhalten — über die gemeinsame Nutzung der Ehewohnung erzielt.
Das bedeutet die Entscheidung für Ihre anwaltliche Beratung
Die Entscheidung zeigt, dass es lohnend sein kann, den abgeschlossenen Sachverhalt nicht nur auf ausdrückliche, sondern auch auf schlüssige Vereinbarungen hin zu überprüfen. Dabei ist auch in Betracht zu ziehen, dass frühere ausdrückliche Regelungen durch konkludentes Verhalten wieder rückgängig gemacht werden.
Darum geht es
Die getrenntlebenden Eheleute stritten um die Zuweisung der Ehewohnung. Dabei wurde dem Antragsgegner der Beschwerdeführer als Verfahrensbevollmächtigter im Rahmen gewährter PKH beigeordnet. Das Amtsgericht wies die Ehewohnung im Wege der einstweiligen Anordnung der Antragstellerin zu. Danach kam es zwischen den Eheleuten unter Mitwirkung des Beschwerdeführers zur Versöhnung. In der folgenden mündlichen Verhandlung erklärten die Parteien das Verfahren übereinstimmend für erledigt. Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin die Festsetzung einer 1,0-Einigungsgebühr gem. Nr. 1003 RVG-VV i.H.v. 272 € zuzüglich Umsatzsteuer, die vom Urkundsbeamten im Festsetzungsbeschluss nicht berücksichtigt wurde. Die hiergegen eingelegte Erinnerung wurde durch die Familienrichterin zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde eingelegt, der die Familienrichterin nicht abgeholfen und die Akte dem OLG zur Entscheidung vorgelegt hat.
Entscheidungsgründe
Das OLG erachtete die sofortige Beschwerde gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 und 3 RVG für zulässig und entschied, dem aufgrund der Bewilligung von PKH beigeordneten Beschwerdeführer stehe ein Anspruch auf die geltend gemachte Einigungsgebühr (272 €) nebst anteiliger Umsatzsteuer zu. Zwar setze das Entstehen einer Einigungsgebühr eine materiell-rechtliche Regelung voraussetzt, die durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen mit Rechtsbindungswillen zustande komme. Willenserklärungen könnten jedoch durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Dabei finde das Gewollte nicht unmittelbar in einer Erklärung seinen Ausdruck, der Erklärende nehme vielmehr Handlungen vor, die mittelbar einen Schluss auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen zuließen.
Hier hätten die Parteien durch die Versöhnung unter Mitwirkung des Beschwerdeführers auch ihren Streit über die Zuweisung der Ehewohnung beseitigt, indem sie sie wieder gemeinsam benutzten und sich durch dieses schlüssige Verhalten mit Rechtsbindungswillen dahin gehend geeinigt, dass die Ehewohnung beiden zustehe. Erst diese schlüssige materiell-rechtliche Vereinbarung habe im Verhandlungstermin auch die Beendigung des gerichtlichen Verfahrens durch die Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen ermöglicht. Darüber hinaus werde aber durch die konkludente Vereinbarung auch die Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 RVG-VV ausgelöst (OLG Köln, MDR 2006, 539 und JurBüro 2006, 588).
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Quelle: RA Michael Nickel, FAFamR, Hagen - Entscheidungsbesprechung vom 05.01.09