Kostenrecht -

Anrechnung der Geschäftsgebühr

Verfahrensgebühr vermindert

BGH-Beschluss:

a) Es wird daran festgehalten, dass sich durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG (Nr. 2400 VV RVG aF) auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 VV RVG anfallende Verfahrensgebühr vermindert (Senatsurteile vom 07.03.2007 - VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049; vom 14.03.2007 - VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050; vom 11.07.2007 - VIII ZR 310/06, NJW 2007, 3500).

b) Für die Anrechnung ist es ohne Bedeutung, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist.

BGH, Beschl. v. 22.01.08, VIII ZB 57/07


Der BGH hat bereits in mehreren Entscheidungen beschlossen, dass eine entstandene Geschäftsgebühr unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist (Urteil vom 07.03.2007 - VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049; Urteil vom 14.03.2007 - VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050; Versäumnisurteil vom 11.07.2007 - VIII ZR 310/06, NJW 2007, 3500). Er hat u.a. klargestellt, dass durch die Anrechnung sich die erst später nach Nr. 3100 VV RVG angefallene Verfahrensgebühr verringert, während die zuvor bereits entstandene Geschäftsgebühr von der Anrechnung unangetastet bleibt. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Anrechnungsvorschrift erfolgt die Anrechnung auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens und nicht umgekehrt, so dass sich nicht die vorgerichtliche Geschäftsgebühr, sondern die im gerichtlichen Verfahren angefallene Verfahrensgebühr im Umfang der Anrechnung reduziert.

In der Instanzenrechtsprechung wurde aus den Entscheidungen gefolgert, dass nicht der Schluss gezogen werden könne, die Geschäftsgebühr müsse im Rechtsstreit – sofern sie den auf Seiten der jeweiligen Partei angefallen sei – immer angerechnet werden (vgl. N. Schneider, AGS 2007, 441).

So vertrat die bislang herrschende Meinung (OLG Celle, Beschl. v. 16.01.08, 2 W 8/08; KG AGS 2007, 349; OLG München AGS 2007, 495; OLG Koblenz AGS 2007, 642; OLG Rostock AGS 2008, 46; OLG Hamm AGS 2008, 47; OLG Karlsruhe AGS 2007, 494; OLG Schleswig AGS 2008, 42 OLG Stuttgart AGS 2008 43; aA OLG Hamburg AGS 2008, 47;OLG Nürnberg AGS 2008, 49; OLG Frankfurt AGS 2007, 477; OLG Oldenburg AGS 2008, 50 zum Meinungsstand vgl. Hansens, AGS 2008, 1) die Auffassung, dass eine teilweise Anrechnung der vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr auf die im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren entstandene Verfahrensgebühr grundsätzlich nur zu berücksichtigen sei, wenn diese bereits tituliert sei oder vom Erstattungsschuldner ausgeglichen worden sei. Insofern musste der Anrechnungseinwand unstreitig sein. Insofern war die Folge, dass eine Anrechnung unterblieb, wenn hierüber Streitigkeiten bestanden.

In seiner neuesten Entscheidung hat der BGH die herrschende Meinung zurechtgewiesen und nunmehr das „Wie“ der Anrechnung geklärt. Die Richter stellten klar, dass es für eine Anrechnung der Geschäftsgebühr unerheblich ist, ob diese:

  1. materiell-rechtlich z.B. aus Verzug vom Prozessgegner zu erstatten ist,

  2. ob sie unstreitig ist,

  3. geltend gemacht ist,

  4. ob sie tituliert ist

  5. oder bereits beglichen ist

Konsequenzen der Entscheidung
Die BGH-Entscheidung hat zur Folge, dass nunmehr stets eine Kürzung der Verfahrensgebühr durch die außergerichtliche Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren durch das Kostenfestsetzungsorgan vorzunehmen ist.

Die Problematik besteht vor allem darin, dass sich der Rechtspfleger im formellen Kostenfestsetzungsverfahren mit der Prüfung der materiell-rechtlichen Frage dahingehend befassen muss, ob dem Rechtsanwalt der erstattungsberechtigten Partei eine Geschäftsgebühr angefallen ist und ob ggf. die Bestimmung der Geschäftsgebühr billigem Ermessen entspricht. Letzteres gilt vor allem, wenn die Geschäftsgebühr nicht tituliert ist.

Diese Problematik kann künftig nur dadurch umgangen werden, dass die außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr unbedingt mit tituliert werden sollte. In diesem Fall steht die Höhe der vom Gegner zu erstattenden Geschäftsgebühr und auch der im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigende Anrechnungsbetrag fest. Die Höhe der Geschäftsgebühr wird im Kostenfestsetzungsverfahren dann nicht mehr geprüft.

Quelle: Dipl. Rechtspfleger Peter Mock - vom 01.04.08