Der Bundesgerichtshof hatte sich mit einem weiteren Teilaspekt des Unterhaltsanspruchs der nicht mit dem Vater des Kindes verheirateten Mutter zu befassen.
Im vorliegenden Fall war die Dauer des Unterhaltsanspruchs wegen Pflege und Erziehung eines nichtehelich geborenen Kindes (§ 1615 l Abs. 2 BGB)streitig. Insbesondere das Kriterium der Unbilligkeit war zu klären.
In Rechtsprechung und Literatur ist deswegen umstritten, ob die grundsätzliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der nichtehelichen Mutter auf drei Jahre dem Gleichheitsgebot und dem besonderen Schutz der nichtehelich geborenen Kinder genügt. Das Oberlandesgericht Schleswig hat im vorliegenden Fall eine verfassungsgemäße Auslegung nach Billigkeit für möglich gehalten. Es hat der Klägerin, die zuletzt als Assistenzärztin tätig war, einen Unterhaltsanspruch bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres der gemeinsamen Tochter zugesprochen, weil sie wegen ihrer Erkrankung neben der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes nur zu einer halbschichtigen Tätigkeit in der Lage sei (FamRZ 2004, 975).
Der Senat hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen und die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Schleswig gebilligt. Zwar ist eine vollständige Angleichung des Unterhaltsanspruchs aus Anlass der Geburt an den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nicht von Verfassungs wegen geboten; die gesetzliche Regelung in § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB ist aber verfassungsgemäß auszulegen, wobei elternbezogene, insbesondere aber kindbezogene Gründe für eine Fortdauer des Unterhaltsanspruchs berücksichtigt werden müssen.
Art. 6 Abs. 1 GG stellt die Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung, was sich wegen der nachehelichen Solidarität in besonderer Weise auf den Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten auswirkt. Die Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes kann sich demgegenüber zwar nicht in gleicher Weise auf den Schutz der Ehe und Familie berufen. Denn dem Anspruch der nichtehelichen Mutter können höchst unterschiedliche Sachverhalte zugrunde liegen, sodass deswegen eine flexiblere Unterhaltsregelung geboten ist als es beim nachehelichen Unterhalt der Fall ist. Aus verfassungsrechtlicher Sicht kann aber die Ausgestaltung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Einzelfall einen besonderen Vertrauenstatbestand begründen, der als elternbezogener Grund eine Fortdauer des Unterhaltsanspruchs über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus aus Billigkeit gebietet.
Nach Art. 6 Abs. 5 GG hat der Gesetzgeber nichtehelich geborenen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung zu schaffen wie ehelichen Kindern. Dieses Gebot wirkt sich auf den Unterhaltsanspruch der Mutter, um den es hier geht, allerdings nur insoweit aus, als die Pflege und Erziehung des Kindes betroffen ist. Zwar kann die Mutter seit Inkrafttreten des Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes zum 1. Oktober 1995 frei entscheiden, ob sie das Kind selbst betreut oder wegen ihrer Erwerbstätigkeit die Erziehung anderweit regelt (Senatsurteil BGHZ 161, 124, 128 f.). Aus unterhaltsrechtlicher Sicht hat sie dabei jedoch besondere staatliche Hilfen, die ihr die Kindererziehung erleichtern sollen, in Anspruch zu nehmen. Bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs ist deswegen auch zu berücksichtigen, dass inzwischen genügend Kindergartenplätze jedenfalls für eine Halbtagsbetreuung zur Verfügung stehen, wie sich aus dem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) "Die Politik der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland" vom 26. November 2004 (veröffentlicht im Internet unter: www.oecd.org/dataoecd/55/58/35125245.pdf) und dem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegebenen Hintergrundbericht Deutschland (veröffentlicht im Internet unter: www.oecd.org/dataoecd/38/44/34484643.pdf) ergibt.
Quelle: BGH - Pressemiteilung vom 05.07.06