Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen den befristeten Ausschluss des Umgangsrechts eines Vaters mit seinem Kind und gegen das Fehlen eines effektiven Beschleunigungsrechtsbehelfs im Umgangsverfahren nicht zur Entscheidung angenommen. Das Gericht berücksichtigte dabei u.a., dass der Vater selbst zur Verzögerung des Verfahrens beigetragen hatte.
Darum geht es
Der Beschwerdeführer ist Vater eines im Jahr 2003 geborenen Sohnes. Die Eltern trennten sich kurz nach der Geburt. Ein erstes im Jahr 2005 begonnenes Umgangsverfahren endete im September 2010 vor dem Oberlandesgericht mit der Anordnung von Umgangskontakten, die anfangs durch einen Umgangspfleger begleitet werden sollten. Wegen der überlangen Dauer dieses Verfahrens stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Urteil vom 21.04.2011 eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) fest.
Die gerichtlich angeordneten Umgangskontakte fanden größtenteils nicht statt. Da auch sämtliche Versuche, einen Umgangspfleger zu finden, scheiterten, leitete das Amtsgericht im Februar 2011 von Amts wegen ein Abänderungsverfahren zum Umgangsrecht ein.
Der Beschwerdeführer stellte mehrere Befangenheitsanträge gegen die Familienrichterin, verweigerte die Zusammenarbeit mit der gerichtlich bestellten Sachverständigen, beantragte mehrfach die Verlegung anberaumter Termine und erhob drei Verzögerungsrügen.
Mit Beschluss vom 12.11.2013 schloss das Amtsgericht den Umgang des Kindes mit dem Beschwerdeführer bis zum 31.10.2015 aus. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde zum Oberlandesgericht. Zu den anberaumten Anhörungsterminen erschien der Beschwerdeführer nicht, er verweigerte seine Begutachtung und lehnte den zuständigen Familiensenat als befangen ab.
Mit Beschluss vom 17.09.2014 änderte das Oberlandesgericht den Beschluss des Amtsgerichts insofern ab, als es dem Beschwerdeführer eine Kontaktaufnahme zum Kind einmal je Kalendermonat per Brief gestattete und der Mutter aufgab, dem Kind die Briefe unverzüglich auszuhändigen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Im Hinblick auf die Rüge der überlangen Verfahrensdauer ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig.
Der bloße Verweis auf die Länge des Verfahrens reicht jedenfalls dann nicht aus, wenn die Verzögerung im Wesentlichen auf dem eigenen Verhalten des Beschwerdeführers beruht. Vor diesem Hintergrund fehlt zudem seine Beschwerdebefugnis im Hinblick auf das gerügte Fehlen eines effektiven Beschleunigungsrechtsbehelfs im Umgangsverfahren, da im konkreten Fall keine verfassungsrechtlich relevante Verzögerung des Umgangsabänderungsverfahrens feststellbar ist.
Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen Art. 6 Abs. 2 GG.
Das Umgangsrecht eines Elternteils steht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Eine Einschränkung oder der Ausschluss des Umgangsrechts kommen jedoch dann in Betracht, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren.
Dabei kommt dem erklärten Willen des Kindes mit zunehmendem Alter vermehrt Bedeutung zu. Hierbei bleibt es grundsätzlich den Fachgerichten überlassen, wie sie den Willen des Kindes ermitteln. Der verfassungsgerichtlichen Prüfung unterliegt jedoch, ob fachgerichtliche Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts beruhen. Dem genügen die angefochtenen Entscheidungen.
Die Fachgerichte haben den befristeten Umgangsausschluss nachvollziehbar mit dem erklärten Willen des Kindes, der Unfähigkeit der Mutter zur Vermittlung eines positiven Vaterbildes, und dem eingeschränkten Gespür des Beschwerdeführers für die kindlichen Bedürfnisse in der hoch strittigen familiären Situation, begründet.
Die Einschätzung der Fachgerichte, wonach das Kind im Falle einer Anordnung von Umgangskontakten entgegen seinem erklärten Willen ohne Rücksicht auf seine Bedürfnisse zum Spielball experimenteller Ansätze gemacht werde, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Hier war insbesondere zu berücksichtigen, dass das inzwischen 11-jährige Kind spätestens seit seiner erstmaligen Anhörung durch das Amtsgericht im Mai 2011 durchgehend und vehement jegliche Umgangskontakte mit dem Beschwerdeführer abgelehnt hat.
Der Umgangsausschluss ist verhältnismäßig und die Gestaltung des Verfahrens durch die Fachgerichte ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Oberlandesgericht hat dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, brieflich Kontakt zu seinem Sohn zu halten und dem Kind dadurch sein fortwährendes Interesse an ihm und seinem Wohlergehen zu zeigen und die Neugier des Kindes zu wecken. Zwar hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere im Hinblick auf die geringe Höhe des in der Vergangenheit gegen die Mutter festgesetzten Ordnungsgeldes, mit Urteil vom 15.01.2015 eine Verletzung des Rechts auf Familienleben des Beschwerdeführers nach Art. 8 EMRK festgestellt.
Hieraus folgt jedoch nicht, dass Maßnahmen wie die Anordnung von Zwangsmitteln gegenüber der Mutter auch zum jetzigen Zeitpunkt noch geeignete Mittel wären, um Umgänge zwischen Vater und Kind anzubahnen, ohne das Wohl des Kindes zu gefährden. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, dass das Kind entsprechend den von den Fachgerichten in Bezug genommenen Ausführungen der Sachverständigen jeglichen Druck auf die Mutter in erheblichem Maße auch selbst wahrnimmt und Zwangsmaßnahmen ihr gegenüber als Bedrohung seines etablierten Familiensystems sehen würde.
Auch die Dauer des Umgangsausschlusses ist verhältnismäßig. Die Fachgerichte sind nachvollziehbar davon ausgegangen, dass die Umgangseinschränkung so lange zu befristen sei, bis zu erwarten ist, dass das dann knapp dreizehnjährige Kind sich im Rahmen seiner fortschreitenden Persönlichkeitsentwicklung von der Mutter lösen und möglicherweise ein eigenständiges Interesse am Vater entwickeln könnte. Zudem besteht jederzeit - auch vor Ablauf der angeordneten Frist - die Möglichkeit, eine erneute gerichtliche Überprüfung herbei zu führen.
Soweit der Beschwerdeführer die Dauer des Umgangsverfahrens rügt, ist die Verfassungsbeschwerde teilweise verfristet. Im Übrigen fehlt es an einer hinreichend substantiierten Begründung. Insbesondere macht der Beschwerdeführer keine substantiierten Ausführungen dazu, dass und aus welchen Gründen die Verfahrensdauer nach den konkreten Umständen des Verfahrens als unverhältnismäßig lang angesehen werden muss.
Die Verzögerung des - immerhin zwei Jahre und neun Monate vor dem Amtsgericht und zehn Monate vor dem Oberlandesgericht währenden - Abänderungsverfahrens beruht maßgeblich auf dem eigenen Verhalten des Beschwerdeführers.
Verfahrensverzögerungen, die ein Beschwerdeführer selbst verursacht hat, sind verfassungsrechtlich nicht zu berücksichtigen. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers lag deshalb hinsichtlich der Dauer des Abänderungsverfahrens auch kein Verstoß gegen Art. 8 EMRK vor, wie auch der EGMR in seinem Urteil vom 15.01.2015 ausdrücklich festgestellt hat.
Auch soweit der Beschwerdeführer „vorsorglich“ das Fehlen eines effektiven Beschleunigungsrechtsbehelfs in Umgangsverfahren rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Insoweit ist der Beschwerdeführer nicht beschwerdebefugt. Unabhängig davon, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen an die rechtliche Ausgestaltung des Schutzes gegen eine Verzögerung im Umgangsverfahren zu stellen sind, ist mangels verfassungsrechtlich relevanter Verzögerung des Abänderungsverfahrens ausgeschlossen, dass der mit einem effektiven Beschleunigungsrechtsbehelf bezweckte Schutz vor Verfahrensverzögerung hier verletzt sein könnte.
Ein Einwirken auf die Rechtsstellung des Beschwerdeführers ist vorliegend auch deshalb ausgeschlossen, weil die existierende Möglichkeit der Verzögerungsrüge vorliegend zur Beschleunigung des Verfahrens geführt hat und nicht ersichtlich ist, welche zusätzliche Beschleunigung ein weitergehender Verzögerungsrechtsbehelf im hier zu entscheidenden Fall hätte bewirken können.
BVerfG, Beschl. v. 25.04.2015 - 1 BvR 3326/14
Quelle: BVerfG, Pressemitteilung v. 20.05.2015