Der Auskunftsanspruch nach § 1686 BGB setzt nicht die Obhut des Auskunftspflichtigen über das Kind voraus und kann sich auch gegen einen auf Umgangskontakte beschränkten Elternteil oder – analog – gegen einem Elternteil vergleichbare Dritte richten. Das hat der BGH entschieden. Der Auskunftsanspruch ist auf einen Überblick über die Entwicklung und das Befinden des Kindes begrenzt.
Sachverhalt
Der Antragsteller, Vater eines ehelich geborenen Kindes und von dessen Mutter inzwischen geschieden, begehrt von dieser, dem Jugendamt und den Pflegeeltern Auskunft über die persönlichen Verhältnisse seines Kindes. Im Juli 2008 wurden den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Stellung von Jugendhilfeanträgen und das Recht zur Ausübung der Gesundheitsfürsorge entzogen und auf das Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen. Das Kind lebt bei Pflegeeltern und hat mit beiden Eltern Umgang.
Das OLG hat die vom Antragsteller eingelegte Beschwerde zurückgewiesen, auf die Beschwerde des Jugendamts in Abänderung des amtsgerichtlichen Beschlusses die Anträge des Antragstellers vollständig zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seine Auskunftsanträge in vollem Umfang weiter.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Auskunftsanträge gegen die Mutter und das Jugendamt richtet. Die Begründung des OLG hält der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand. Die vom Antragsteller geltend gemachten Auskunftsansprüche lassen sich damit nicht verneinen. Zum einen setzt der Auskunftsanspruch nach § 1686 BGB nicht zwingend die Obhut des Auskunftspflichtigen über das Kind voraus. Zum anderen ist die entsprechende Anwendung des § 1686 BGB auf andere Auskunftspflichtige als den Elternteil nicht von vornherein ausgeschlossen.
Nach § 1686 BGB kann jeder Elternteil vom anderen Elternteil bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, auch von einem „nur“ umgangsberechtigten Elternteil, etwa über solche Vorgänge, die sich im Rahmen des Umgangs ereignet haben. Mit Blick auf den Gesetzeszweck kann § 1686 BGB in entsprechender Anwendung einem Elternteil auch einen Auskunftsanspruch gegenüber Anspruchsgegnern gewähren, die nicht Elternteil sind.
Zwar hat der Gesetzgeber im Zuge der Kindschaftsrechtsreformen an der Formulierung „Elternteil“ festgehalten. Sein Augenmerk lag aber auf der Person des Auskunftsberechtigten, während er den anderen Elternteil als den Auskunftspflichtigen als gegeben angesehen und die Person des Anspruchsgegners nicht weiter hinterfragt hat. Mithin ist nicht von einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung gegen die Auskunftspflicht anderer Personen als der Eltern, sondern vom Vorliegen einer unbewussten Regelungslücke auszugehen. Letztlich geht es darum, dem aus dem von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG geschützten Elternrecht resultierenden berechtigten Informationsbedürfnis Geltung zu verschaffen.
Die Auskunftspflicht trifft in erster Linie die Person, die kraft des Sorgerechts über die zur Auskunft erforderlichen Informationen verfügt oder daran gelangen kann. Nur soweit sich der Sorgerechtsinhaber die erforderlichen Informationen nicht verschaffen kann, kommt als Anspruchsgegner im Einzelfall auch derjenige in Betracht, der aufgrund eines sonstigen, dem eines Elternteils vergleichbaren Fürsorgeverhältnisses zu dem Kind zur Auskunftserteilung in der Lage ist.
Demnach kann sich der Auskunftsanspruch des Vaters im vorliegenden Fall gegen das Jugendamt richten, denn dieses ist hier in seiner Stellung am ehesten einem Elternteil vergleichbar, soweit die Mutter zu einer Auskunft aufgrund der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls nicht in der Lage ist. Zum einen ist das Jugendamt als Ergänzungspfleger teilweise Inhaber des Sorgerechts und hat als solcher Zugriff auf die zur Auskunft erforderlichen Informationen. Zum anderen ergibt sich der Auskunftsanspruch aber vor allem aus dem Fürsorgeverhältnis des Jugendamts zu dem in der Vollzeitpflege befindlichen Kind, in dessen Rahmen die Betreuung und das Leben des Kindes in der Pflegefamilie der Aufsicht des Jugendamts unterliegen.
Ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 1686 BGB besteht dann, wenn der Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit hat, sich über die Entwicklung und die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu unterrichten. Eine solche andere Möglichkeit kann der Umgang mit dem Kind sein, allerdings nur, wenn dadurch nicht der mit dem Umgangsrecht auch verbundene Zweck, die verwandtschaftlichen Beziehungen aufrechtzuerhalten und zu pflegen sowie einer Entfremdung vorzubeugen, gefährdet wird und das Kind in der Lage sowie willens ist, dem Elternteil die erforderlichen Informationen zu erteilen.
Hinreichende Feststellungen, ob andere, ein berechtigtes Interesse des Antragstellers ausschließende Informationsmöglichkeiten bestehen, hat das OLG nicht getroffen. Das Amtsgericht wollte die Umgangskontakte nicht mit entsprechenden Auskünften durch das Kind belasten und hat sonstige Informationsquellen nicht erwogen.
Folgerungen aus der Entscheidung
Der Auskunftsanspruch nach § 1686 BGB setzt nicht voraus, dass der Auskunftspflichtige die Obhut über das Kind ausübt. Daher kommt auch ein auf Umgangskontakte beschränkter Elternteil als Anspruchsgegner in Betracht. § 1686 BGB kann in entsprechender Anwendung einem Elternteil auch einen Auskunftsanspruch gegenüber Anspruchsgegnern gewähren, die nicht Elternteil, aber in ihrer rechtlichen oder tatsächlichen Stellung einem solchen vergleichbar sind.
Der Umfang der Informationen, die der Auskunftsberechtigte beanspruchen kann, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der Elternteil soll in die Lage versetzt werden, sich einen Überblick über die Entwicklung und das Befinden des Kindes zu verschaffen, insbesondere über das schulische Fortkommen, außerschulische Betätigungen, die gesundheitliche Situation und die soziale Entwicklung des Kindes.
Das Maß und die Häufigkeit der geschuldeten Auskunft haben sich an diesem Zweck zu orientieren, sodass i.d.R. zwar die Übersendung der Kopie von Schulzeugnissen, nicht aber detaillierte Angaben zum Tagesablauf des Kindes, ins Einzelne gehende Erziehungsberichte oder ärztliche Unterlagen und Dokumentationen zu verlangen sind. Nicht umfasst von den persönlichen Verhältnissen i.S.d. § 1686 BGB ist die vermögensrechtliche Situation des Kindes. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung, ob und inwieweit ein berechtigtes Interesse an der Auskunftserteilung vorliegt, ist derjenige der abschließenden Entscheidung in der Tatsacheninstanz.
Praxishinweis
Die Auskunftspflicht gegenüber dem anspruchsberechtigten Elternteil trifft den umgangsberechtigten Elternteil, einem Elternteil vergleichbare Dritte wie das Jugendamt als Ergänzungspfleger und die Pflegeeltern. Der Umfang des Auskunftsanspruchs ist nicht unbegrenzt. Auch wenn ein nicht an dem Leben und der Erziehung seines Kindes unmittelbar beteiligter Elternteil ein gesteigertes Informationsbedürfnis hat, ist der Auskunftsanspruch auf einen Überblick über die Entwicklung und das Befinden des Kindes begrenzt. Dazu gehören insbesondere die gesundheitliche Situation, die schulischen Leistungen und die soziale Entwicklung des Kindes.
Ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 1686 BGB besteht dann, wenn der Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit hat, sich über die Entwicklung und die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu unterrichten, z.B. beim Umgang mit dem Kind selbst.
BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – XII ZB 345/16
Quelle: Ass. jur. Nicole Seier