Familienrecht -

Rentensplitting beim Versorgungsausgleich

Versorgungsausgleich bei Erwerb von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Beamtenversorgung

Hat der ausgleichspflichtige Ehegatte in der Ehezeit gesetzliche Rentenanwartschaften und Anwartschaften auf Beamtenversorgung erworben, setzt die Durchführung des auch teilweisen Rentensplittings voraus, dass seine gesetzlichen Rentenanwartschaften für sich allein höher sind als die gesetzlichen Rentenanwartschaften, die Anwartschaften auf Beamtenversorgung oder sonstige Versorgungsanrechte des Ausgleichsberechtigten für sich allein oder zusammengenommen.

Gründe:

 

 

 

Die Parteien haben am 26. Oktober 1972 geheiratet; sie sind beide verbeamtet im Schuldienst des Landes Schleswig-Holstein tätig. Der Scheidungsantrag der Ehefrau (Antragstellerin; geb. am 19. Juni 1952) ist dem Ehemann (Antragsgegner; geb. am 20. August 1949) am 13. September 1997 zugestellt worden. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat durch Urteil vom 5. Dezember 1997 die Ehe geschieden (insoweit rechtskräftig) und nachfolgend den abgetrennten Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es im Wege des Splittings vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund, vormals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; weitere Beteiligte zu 1) auf ein bei der DRV Bund zu errichtendes Versicherungskonto der Antragstellerin Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 80,54 DM, bezogen auf den 31. August 1997, übertragen hat. Ferner hat es durch Quasi-Splitting zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners beim Landesbesoldungsamt Schleswig-Holstein (LBA Schleswig-Holstein; weiterer Beteiligter zu 2) auf einem bei der DRV Bund zu errichtenden Versicherungskonto der Antragstellerin Rentenanwartschaften in Höhe von 195,59 DM, bezogen auf den 31. August 1997, begründet.  

 

 

 

Auf die Beschwerde der DRV Bund hat das Oberlandesgericht die Entscheidung dahin abgeändert, dass der Versorgungsausgleich insgesamt in Höhe von 240,63 DM durch Quasi-Splitting nach § 1587 Abs. 2 BGB zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei dem LBA Schleswig-Holstein zu erfolgen hat. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts haben die Parteien in der Ehezeit (1. Oktober 1972 bis 31. August 1997; § 1587 Abs. 2 BGB) beim LBA Schleswig-Holstein monatliche Versorgungsanwartschaften in Höhe von 2.571,51 DM (Antragstellerin) und 2.891,69 DM (Antragsgegner), bezogen auf den 31. August 2001, erworben, der Antragsgegner zudem Anwartschaften bei der DRV Bund in Höhe von monatlich 161,08 DM.  

 

 

 

Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde macht das LBA Schleswig-Holstein geltend, für den Wertausgleich zu Gunsten der Antragstellerin sei die Hälfte der gesetzlichen Rentenanwartschaften des Antragsgegners im Wege des Splittings zu übertragen. Erst die Hälfte des dann verbleibenden Wertunterschiedes sei durch Quasi-Splitting zu Lasten der Beamtenversorgung des Antragsgegners auszugleichen.  

 

 

 

II. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.  

 

 

 

1. Das Oberlandesgericht hat die Voraussetzungen des Rentensplittings für nicht gegeben erachtet. § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB setze voraus, dass der nach § 1587 a Abs. 1 Satz 1 BGB insgesamt ausgleichspflichtige Ehegatte in der Ehezeit Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben habe, welche die Anwartschaften des anderen Ehegatten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und/oder der Beamtenversorgung überstiegen. Seien die Anwartschaften des Verpflichteten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gleich groß oder geringer als die Summe der Anwartschaften des Berechtigten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung, habe ein (auch teilweiser) Ausgleich durch Splitting zu unterbleiben; in diesem Fall finde der Ausgleich nur nach den in der Rangfolge nächsten Ausgleichsformen der §§ 1587 b Abs. 2 BGB, §§ 1 und 2 oder 3 b VAHRG statt, je nach Art der auszugleichenden Anrechte. Dem könne auch nicht § 1587 b Abs. 2 Satz 1 letzter Halbs. entgegengehalten werden, wonach das Quasi-Splitting in Höhe der Hälfte des nach Anwendung von § 1587 b Abs. 1 BGB noch verbleibenden Wertunterschiedes durchzuführen sei. Die Anwendung von Abs. 1 führe in den Fällen der vorliegenden Art gerade dazu, dass ein Ausgleich durch Splitting ausscheide und der volle Wertunterschied nach § 1587 b Abs. 2 BGB auszugleichen sei.  

 

 

 

2. Diese Auffassung ist rechtlich nicht zu beanstanden.  

 

 

 

a) Zwar beinhaltet die Systematik des § 1587 b Abs. 1, 2 BGB einen formellen Vorrang des Splittings vor dem Quasi-Splitting (FA-FamR/Gutdeutsch, 5. Aufl. 7. Kap. Rdn. 154; Senatsbeschluss vom 18. Dezember 1985 - IVb ZB 4 711/81 - FamRZ 1986, 250, 251 unter II. 2. c, cc; OLG München FamRZ 1993, 1460 f.; vgl. auch BT-Drucks. 7/4361, 41). Die aus § 1587 b Abs. 2 Satz 1 letzter Halbs. BGB folgende Einschränkung, nach der das Quasi-Splitting nur "in Höhe der Hälfte des nach Anwendung von Abs. 1 noch verbleibenden Wertunterschieds" durchgeführt werden kann, bedeutet indes nicht, dass bei einem Zusammentreffen von nach § 1587 b Abs. 1 Satz 1 und § 1587 b Abs. 2 Satz 1 BGB auszugleichenden Anrechten das Splitting losgelöst von den Voraussetzungen des § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB - d.h. mittels getrennter Saldierung der gesetzlichen Rentenanrechte und der Anwartschaften auf Beamtenversorgung - durchgeführt werden kann (Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 4. Aufl. § 1587 b BGB Rdn. 31). Zu Recht ist das Oberlandesgericht vielmehr davon ausgegangen, § 1587 b Abs. 2 Satz 1 letzter Halbs. BGB knüpfe an die Tatbestandsvoraussetzungen des vorgreiflichen § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB an.  

 

 

 

b) Hat der Ausgleichspflichtige in der Ehezeit gesetzliche Rentenanwartschaften und Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften erworben, erfordert die Durchführung des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB, dass die gesetzlichen Rentenanwartschaften bereits für sich allein höher sind als die entsprechenden Anwartschaften des Ausgleichsberechtigten oder die Summe seiner Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB und der Versorgungsanwartschaften aus dem Beamtenverhältnis nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB (h.M., vgl. Palandt/Brudermüller BGB 65. Aufl. § 1587 b Rdn. 13; MünchKomm/Dörr BGB 4. Aufl. § 1587 b Rdn. 7; Johannsen/Henrich/Hahne, aaO., § 1587 b Rdn. 15; Erman/Klattenhoff BGB 11. Aufl. § 1587 b Rdn. 5; Soergel/Lipp BGB 13. Aufl. § 1587 b Rdn. 8; Staudinger/Rehme BGB 2004 § 1587 b Rdn. 59; AnwKomm/Wiedenlübbert BGB 2005 § 1587 b Rdn. 5; RGRK/Wick BGB 12. Aufl. § 1587 b Rdn. 14; OLG Nürnberg FamRZ 1995, 98, 100). Dies entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 7/4361, 41) und dem eindeutigen Wortlaut des § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB, der den Anwartschaften des Ausgleichsverpflichteten "in einer gesetzlichen Rentenversicherung" die Anwartschaften des Ausgleichsberechtigten "im Sinne des § 1587 a Abs. 2 Nr. 1, 2" gegenüberstellt.  

 

 

 

Das teilweise Splitting kommt folglich nur in Betracht, wenn durch Halbteilung einer vorhandenen Beamtenversorgung des Verpflichteten der Ausgleich nicht in vollem Umfang erfolgen kann (FA-FamR/Gutdeutsch, aaO., 7. Kap. Rdn. 154). Die weitere Beschwerde weist deshalb zu Recht darauf hin, dies sei nicht die Regel, wenn auf Seiten des ausgleichspflichtigen Ehegatten gesetzliche Rentenanwartschaften und Anwartschaften auf Beamtenversorgung zusammentreffen. Der Ausgleichspflichtige wird nämlich wegen der bestehenden Höchstaltersgrenzen (vgl. Ebert/Bieler Das gesamte öffentliche Dienstrecht Stand Juni 2005 Kz. 250 Rdn. 7) vor seiner Verbeamtung regelmäßig nur verhältnismäßig geringe Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben. Die Gegenüberstellung der gesetzlichen Rentenanwartschaften des Verpflichteten mit der Summe der Anrechte des Berechtigten nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB erhält dem ausgleichspflichtigen Ehegatten somit möglichst viele gesetzliche Rentenanwartschaften. Diese Regelung folgt aus dem Grundsatz, dass Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung als Grundlage der sozialen Sicherung an sich nicht übertragbar sind und § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB insoweit eine Ausnahmeregelung darstellt (Staudinger/Rehme, aaO., § 1587 b Rdn. 32; vgl. zur Übertragbarkeit gesetzlicher Rentenanrechte: Senatsbeschlüsse vom 18. Dezember 1985, aaO., S. 251 und vom 3. Juni 1981 - IVb 3 ZB 4 529/80 - FamRZ 1981, 1051, 1060; BT-Drucks. 7/650, 171). Dem Splitting kommt damit ein formeller, dem Quasi-Splitting im Ergebnis aber ein materieller Vorrang zu (FA-FamR/Gutdeutsch, aaO., Kap. 7 Rdn. 154).  

 

 

 

c) Es kann dahinstehen, ob das Quasi-Splitting die Allgemeinheit belastet, weil die nach § 225 SGB VI vom Versorgungsträger an den Rentenversicherungsträger zu erbringenden (steuerfinanzierten) Erstattungsleistungen höher sind - trotz des mit der Regelung verfolgten Ziels der Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs (vgl. Hauck/Noftz/Klattenhoff SGB VI 2005 § 225 Rdn. 8) - als die infolge der Kürzung der Versorgungsbezüge des ausgleichspflichtigen Ehegatten nach § 57 BeamtVG erzielbaren Einsparungen. Diese lediglich die technische Durchführung des Versorgungsausgleichs regelnden beamten- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften können entgegen der Ansicht der weiteren Beschwerde einen Teilausgleich durch Rentensplitting, der vom Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers abweicht, nicht rechtfertigen.  

 

 

 

3. a) Da der Antragsgegner den Feststellungen des Oberlandesgerichts zufolge in der Ehezeit gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 161,08 DM (82,36 EUR) erworben hat, denen nach § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB mit monatlich 2.571,51 DM (1.314,79 EUR) höhere Versorgungsanwartschaften der Antragstellerin gegenüberstehen, kann der Versorgungsausgleich zugunsten der Antragstellerin nicht teilweise durch Splitting erfolgen; er ist insgesamt im Wege des Quasi-Splittings durchzuführen.  

 

 

 

b) Die angefochtene Entscheidung kann gleichwohl keinen Bestand haben. Das Beschwerdegericht konnte die inzwischen eingetretenen Änderungen bei der Bemessung der Beamtenversorgung durch das Versorgungsänderungsgesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I, 3926) noch nicht berücksichtigen. Für die Berechnung des Versorgungsausgleichs bei beamtenrechtlichen Versorgungsanrechten ist im Hinblick auf den Halbteilungsgrundsatz seit dem 1. Januar 2003 uneingeschränkt der von 75 % auf 71,75 % verminderte Höchstruhegehaltssatz gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der Fassung des Art. 1 Nr. 11 des Versorgungsänderungsgesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I, 3926) maßgeblich (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. November 2003 - 3 XII 4 3 ZB 4 75/02 und 3 XII 4 3 ZB 4 30/03 - FamRZ 2004, 256 ff. bzw. 259 ff.). Ebenso wenig berücksichtigt die vom Oberlandesgericht eingeholte Auskunft der DRV Bund vom 3. Mai 2000 die Änderungen der Rechtslage durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG vom 21. März 2001, BGBl. I, 403).  

 

 

 

Da das Rechtsmittel des LBA Schleswig-Holstein zu einer umfassenden Überprüfung der Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durch den Senat führt (Senatsbeschlüsse vom 27. Juni 1984 - IVb 3 ZB 4 767/80 - FamRZ 1984, 990, 991 f. und vom 18. Dezember 1985 - IVb 3 ZB 131/82 - FamRZ 1986, 250), war die Sache deshalb an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit der Versorgungsausgleich unter Zugrundelegung neuer Auskünfte der LBA Schleswig-Holstein und der DRV Bund geregelt werden kann.

Quelle: BGH - vom 18.01.06