Familienrecht -

Reform im Familienrecht geplant

Das Bundesministerium der Justiz plant Reformen der Verfahren im Bereich des Familienrechts.

Sowohl das Verfahren in Familiensachen wie auch die freiwillige Gerichtsbarkeit sollen novelliert werden.

I. Reform des familiengerichtlichen Verfahrens

Das gerichtliche Verfahren in Familiensachen ist bislang teilweise in der Zivilprozessordnung, dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der Hausratsverordnung und verschiedenen weiteren Gesetzen niedergelegt. Diese Unübersichtlichkeit soll mit der Reform beseitigt werden, darüber hinaus wird die Verbesserung der inhaltlichen Gestaltung des Verfahrens angestrebt.

Es sollen vor allem Konflikt vermeidende und Konflikt lösende Elemente im Verfahren gestärkt werden. Folgende Elemente sollen dabei eine Rolle spielen:

  • Erleichterung der einverständlichen Scheidung bei kinderloser Ehe,
  • Beschleunigung von Verfahren über das Umgangs- und Sorgerecht durch Einführung von Elementen des sog. Cochemer Modells,
  • Verstärkung der Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte betroffener Kinder durch Präzisierung der Funktionen des Verfahrenspflegers (künftig: Verfahrensbeistand),
  • Effizientere Gestaltung der Durchsetzung von Entscheidungen zum Sorgerecht, zur Kindesherausgabe und zu Umgangsregelungen, sowie
  • Zuständigkeit des „Großen Familiengerichts“ insbesondere für alle Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung.

1. Vereinfachtes Scheidungsverfahren

An die Stelle der bisherigen einverständlichen Scheidung soll ein vereinfachtes Scheidungsverfahren treten. Scheidungswillige Ehegatten ohne gemeinsame Kinder können dieses Verfahren durch übereinstimmende, notariell beurkundete Erklärung wählen, wenn sie sich – ebenfalls in notarieller Form – über den Ehegattenunterhalt sowie – formfrei – über Hausrat und Ehewohnung geeinigt haben. Die Ehegatten brauchen sich dann im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren nicht durch einen Anwalt vertreten zu lassen.

Dieses Verfahren hat ein beachtliches Anwendungsfeld. Fast 71% aller Scheidungen (146.125) erfolgen nach dem Trennungsjahr einvernehmlich (2002). Rund 50% aller geschiedenen Ehen sind kinderlos. Für solche Paare, die sich einvernehmlich scheiden lassen und keine gemeinsamen Kinder haben, kommt künftig das vereinfachte Scheidungsverfahren in Betracht.

Das vereinfachte Scheidungsverfahren bietet gegenüber dem geltenden Recht in mehrfacher Hinsicht Vorteile:

  • Es fördert die Einvernehmlichkeit durch die gemeinsame Beauftragung des Notars und die im Rahmen der notariellen Beratung und Beurkundung erfolgenden gemeinsamen Erarbeitung von Regelungen für die Scheidungsfolgen (Unterhalt und Verteilung des Hausrats).
  • Es vermeidet Folgestreitigkeiten. Die Ehegatten brauchen keine Scheidungsfolgen offen zu lassen, nur um eine günstige und schnelle Scheidung zu erreichen.
  • Es vereinfacht das gerichtliche Verfahren, weil außer dem Versorgungsausgleich keine weiteren Scheidungsfolgen gerichtlich verhandelt werden müssen.
  • Der Wegfall der Rechtsanwaltsgebühren führt – auch unter Berücksichtigung der Gebühren für einen Notar – zu einer erheblichen Kostenersparnis für die Beteiligten. D.h. die Kosten einer Scheidung betragen im Durchschnitt weniger als die Hälfte der Kosten einer Scheidung nach geltendem Recht mit einseitiger anwaltlicher Vertretung.
  • Das vereinfachte Scheidungsverfahren kann zeitnah abgeschlossen werden. Die Beteiligten haben die Möglichkeit, nach sechs Monaten die Abtrennung des Versorgungsausgleichs zu beantragen und die Scheidung durchzuführen. Nach geltendem Recht ist eine Abtrennung des Versorgungsausgleichs regelmäßig erst nach zwei Jahren möglich. In aufwändigen Verfahren kann daher eine Scheidung erst nach Ablauf dieses Zeitraums ausgesprochen werden.

2. Kindschaftssachen

Der Entwurf des FamFG schafft die Voraussetzungen dafür, dass Kindschaftssachen, die die elterliche Sorge, das Umgangsrecht oder die Herausgabe eines Kindes betreffen, zukünftig noch schneller einer Lösung zugeführt werden können. Zugleich wird die Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen verbessert.

a) Vorrangige und beschleunigte Bearbeitung

Diese Verfahren sollen im Interesse des Kindeswohls durch Einsatz von Elementen des sogenannten „Cochemer Modells“ beschleunigt und verbessert werden:

Im Interesse des Kindeswohls wird ein ausdrückliches und umfassendes Vorranggebot für Kindschaftssachen, die den Aufenthalt oder die Herausgabe des Kindes oder das Umgangsrecht betreffen, in das Gesetz aufgenommen. Die bevorzugte Erledigung der genannten Kindschaftssachen hat im Notfall auf Kosten anderer anhängiger Sachen zu erfolgen. In der gerichtlichen Praxis werden sich Prioritäten zugunsten von Kindschaftssachen der genannten Art künftig noch deutlicher als bisher herausbilden. Das Vorrangsgebot gilt dabei in jeder Lage des Verfahrens.
Die Verfahren sollen zeitnah verhandelt werden. Das Gericht soll in Verfahren, die den Aufenthalt des Kindes, seine Herausgabe oder das Umgangsrecht betreffen, spätestens einen Monat nach Eingang des Antrags eine Erörterung mit allen Beteiligten durchführen. Dabei soll es versuchen, eine einvernehmliche Lösung des Konflikts zu erreichen. Gelingt dies nicht, muss es den Erlass einer einstweiligen Anordnung prüfen und mit den Beteiligten erörtern. Gerade hier besteht ein besonderes Bedürfnis für eine schnelle Entscheidung über einen Antrag, der den Umgang nach der Trennung der Eltern klären soll. Nur eine sofortige Regelung vermeidet die Gefahr, dass der Umgang zwischen dem Kind und dem nicht betreuenden Elternteil für lange Zeit unterbrochen wird – und diese Beziehung dadurch möglicherweise nachhaltig gestört wird.
Die Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte des betroffenen Kindes werden verstärkt. In schwierigen Fällen wird dem Kind künftig ein Verfahrensbeistand zur Seite stehen. Dessen Aufgabe ist es, im gerichtlichen Verfahren die Interessen des Kindes zu vertreten und das Kind über den Ablauf des Verfahrens und die Möglichkeiten der Einflussnahme in kindgerechter Weise zu informieren. Im Gegensatz zu dem bisherigen Verfahrenspfleger kann der Verfahrensbeistand eine aktive Rolle in dem Konflikt übernehmen und zu einer einvernehmlichen Umgangsregelung – beispielsweise durch Gespräche mit den Eltern – beitragen.
Insgesamt soll eine Verkürzung der Verfahrensdauer in sorge- und umgangsrechtlichen Verfahren bewirkt werden. Die durchschnittliche Verfahrensdauer ist in diesen Verfahren mit 6,7 Monaten (Umgang) bzw. 7,5 Monaten (Sorgerecht) [Zahlen für das Jahr 2003] unter Kindeswohlaspekten noch verbesserungsbedürftig.

b) Verbesserte Durchsetzung der Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht

Die Vollstreckung von Sorge- und Umgangsentscheidungen wird schneller und effektiver ausgestaltet. Bei Verstößen gegen Verpflichtungen aus Sorge- und Umgangsentscheidungen werden künftig nicht mehr Zwangsmittel, sondern Ordnungsmittel verhängt. Diese können – anders als Zwangsmittel – auch noch nach Ablauf der Verpflichtung wegen Zeitablaufs festgesetzt und vollstreckt werden.
Im BGB wird die Möglichkeit der Bestellung eines Umgangspflegers vorgesehen werden. Dieser soll bei schwerwiegenden Umgangskonflikten sicherstellen, dass der Kontakt des Kindes zu dem Umgangsberechtigten nicht abbricht.

3. Großes Familiengericht

Nach geltendem Recht sind die Familiengerichte neben dem Scheidungsverfahren zwar auch für Unterhaltsstreitigkeiten oder Streitigkeiten aus dem ehelichen Güterrecht zuständig. Zahlreiche vermögensrechtliche Streitigkeiten, deren Ausgang für eine Unterhaltspflicht oder den Umfang des auszugleichenden Zugewinns bedeutsam sind, fallen aber in die Zuständigkeit der Zivilabteilungen der Amts- und Landgerichte.

Typische Fälle sind Streitigkeiten über den Ausgleich untereinander, wenn ein Ehepartner aus einem gemeinsamen Darlehen in Anspruch genommen wird, oder die Frage der Nutzungsentschädigung, wenn ein Ehegatte nach der Trennung die Ehewohnung allein weiter nutzt.

Durch die Reform soll die sachliche Zuständigkeit der Familiengerichte erweitert werden, um tatsächlich zusammenhängende Rechtsstreitigkeiten auch zusammenhängend entscheiden zu können.

Ordnungskriterium ist dabei allein die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand. Im Interesse aller Beteiligten soll es dem Familiengericht möglich sein, alle durch den sozialen Verband von Ehe und Familie sachlich verbundenen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden. Auf diese Weise werden Verfahrensverzögerungen, Aussetzungen und Mehrfachbefassung von Gerichten vermieden. Dies führt im Ergebnis zu einer effektiveren Arbeit der Gerichte und ist für alle Verfahrensbeteiligteten weniger aufreibend.


II. Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Das geltende Verfahrensgesetz (FGG) für die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Betreuungs-, Unterbringungs-, Nachlass- und Registersachen) stammt aus dem Jahre 1898 und wurde immer nur punktuell nachgebessert. Die Reform ersetzt das lückenhafte FGG durch eine vollständige, moderne Verfahrensordnung mit verständlichen, überschaubaren und einheitlichen Strukturen für alle Rechtsgebiete. Die Freiheitsentziehungssachen werden in die neue Verfahrensordnung integriert; das eigenständige Verfahrensgesetz für diese Sachen wird überflüssig.

Die neue Verfahrensordnung definiert erstmals umfassend die Verfahrensrechte und die Mitwirkungspflichten der Beteiligten und sichert ihren Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie harmonisiert das zersplitterte Rechtsmittelsystem der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch die flächendeckende Einführung der fristgebundenen sofortigen Beschwerde und die Eröffnung der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zur Klärung rechtlicher Grundsatzfragen.

Quelle: BMJ - Pressemitteilung vom 15.02.06