Aus dem Recht auf schulische Bildung folgt ein Anspruch auf einen Mindeststandard von Bildungsangeboten an staatlichen Schulen. Dieser Anspruch kann aber bei aktuell unüberwindlichen Zwängen - wie fehlenden Kapazitäten - zeitweise nicht bestehen. Das hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt. Im Streitfall hatte eine Mutter die Kostenentscheidung in einem Schulplatzverfahren moniert.
Darum geht es
Die Beschwerdeführerin begehrte nach ihrer im Wege des Familiennachzugs erfolgten Einreise nach Deutschland für ihre beiden Kinder die Aufnahme in die Vorbereitungsklasse einer Schule für Kinder mit geringen oder keinen Deutschkenntnissen.
Nachdem sie die Auskunft erhielt, dass ein Schulplatz frühestens mit Beginn des nächsten Schuljahres zugeteilt werden könne, beantragte sie die Zuweisung eines Schulplatzes im Wege der einstweiligen Anordnung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt.
Zwar bestehe ein verfassungsrechtlicher Anspruch der beiden Kinder auf Zuweisung eines Schulplatzes. Der Zeitraum bis zu einer Zuteilung könne jedoch insbesondere aus Gründen fehlender Kapazität verlängert werden.
In Sachsen müssten Kinder mit ungenügenden Deutschkenntnissen zunächst eine Vorbereitungsklasse besuchen, bis eine Beschulung in einer regulären Klasse möglich sei. Ein entsprechender Platz stehe derzeit nicht zur Verfügung.
Nachdem beide Kinder einen Schulplatz an einer Schule in freier Trägerschaft erlangen konnten, wurde der Rechtsstreit im Beschwerdeverfahren für erledigt erklärt.
Das Oberverwaltungsgericht hat den Beteiligten die Kosten je zur Hälfte auferlegt. Diese Kostenentscheidung entspreche billigem Ermessen, weil es offen sei, ob der Freistaat Sachsen die zur Erfüllung des Rechts auf schulische Bildung nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 GG erforderlichen Bildungsleistungen wegen aktuell unüberwindlicher personeller, sächlicher oder organisatorischer Zwänge tatsächlich nicht habe erbringen können.
Die Beschwerdeführerin rügt, diese Kostenentscheidung beruhe auf einer das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden Missdeutung des Rechts auf schulische Bildung.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde gegen eine Kostenentscheidung im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführerin hat eine Verletzung von Grundrechten nicht in der erforderlichen Weise dargelegt.
Aus dem Recht auf schulische Bildung folgt ein Anspruch der Schülerinnen und Schüler auf Einhaltung eines nach allgemeiner Auffassung für ihre chancengleiche Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit unverzichtbaren Mindeststandards von Bildungsangeboten an staatlichen Schulen.
Der Mindeststandard ist jedenfalls dann unterschritten, wenn den Schülerinnen und Schülern über einen längeren Zeitraum überhaupt kein Unterricht angeboten wird. Dem Anspruch auf Wahrung des Mindeststandards schulischer Bildung können zwar ausnahmsweise überwiegende Gründe des Schutzes von Verfassungsrechtsgütern entgegenstehen.
Der Staat kann dem Anspruch jedoch weder die ihm nach Art. 7 Abs. 1 GG eröffnete Freiheit bei der Gestaltung von Schule entgegenhalten noch sich darauf berufen, knappe öffentliche Mittel für andere Staatsaufgaben einsetzen zu wollen.
Der Anspruch auf Wahrung des Mindeststandards besteht jedoch nicht, soweit er wegen aktuell unüberwindlicher personeller, sächlicher oder organisatorischer Zwänge tatsächlich nicht erfüllt werden kann. Der Staat ist indes verpflichtet, die möglichen Vorkehrungen zur Wahrung des Mindeststandards zu treffen.
Die Beschwerdeführerin zeigt nicht auf, dass das Oberverwaltungsgericht diese Aussagen bei seiner Entscheidung in krasser Weise missdeutet hat. Das Oberverwaltungsgericht hat weder ein Unterschreiten des Mindeststandards im Falle der Kinder der Beschwerdeführerin bezweifelt noch darauf abgestellt, dass die zur Wahrung des Mindeststandards notwendigen Mittel anderweitig hätten verwendet werden dürfen.
Vielmehr hat es als nicht geklärt angesehen, ob Vorbereitungsklassen wegen aktuell unüberwindlicher personeller, sächlicher oder organisatorischer Zwänge nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung gestellt werden konnten.
Die Beschwerdeführerin hat nicht substantiiert geltend gemacht, dass diese Annahme des Oberverwaltungsgerichts die Grenze zur Willkür überschreitet. Sie setzt sich nicht mit der Frage auseinander, welche Bedeutung der sächsischen Konzeption zur schulischen Integration der Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen für die Ausschöpfung der vorhandenen Kapazitäten zukommt.
Auch hatte der Freistaat Sachsen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren u.a. vorgetragen, dass die Anzahl der im Laufe eines Kalenderjahres einwandernden beziehungsweise geflüchteten Kinder nicht prognostizierbar sei und zudem der Bedarf an konkreten Schulplätzen auch erst dann ermittelt werden könne, wenn diese die Erstaufnahmeeinrichtung verließen und eine ausländerrechtliche Zuweisung in eine bestimmte Gemeinde erhielten.
BVerfG, Beschl. v. 27.01.2025 - 1 BvR 2184/24
Quelle: BVerfG, Pressemitteilung v. 20.03.2025