Familienrecht -

Opferentschädigung: Kein pauschaler Ausschluss von Familienangehörigen

Bei der Entschädigung der Opfer von Gewalttaten gewährleistet ein automatischer Ausschluss bestimmter Familienangehöriger keine „gerechte und angemessene“ Entschädigung. Das hat der EuGH entschieden. Es sind demnach andere Gesichtspunkte als nur die familiären Bindungen zu berücksichtigen, wie das Ausmaß des Schadens, der den ausgeschlossenen Familienangehörigen entstanden ist.

Darum geht es

Im Jahr 2018 verurteilte ein italienisches Gericht einen Mann, der seine frühere Partnerin getötet hatte, zur Zahlung einer Entschädigung an die Familienangehörigen des Opfers. Da der Täter des Tötungsdelikts zahlungsunfähig war, zahlte der italienische Staat die Entschädigung. 

Die Entschädigung war allerdings niedriger als die ursprüngliche Entschädigung und wurde nur den Kindern des Opfers und seinem Ehepartner gewährt, von dem das Opfer seit Jahren getrennt gelebt hatte.

Die italienische Entschädigungsregelung für vorsätzlich begangene Gewalttaten sieht nämlich vor, dass die Eltern einer verstorbenen Person nur dann eine Entschädigung erhalten können, wenn es weder einen Ehepartner noch Kinder gibt, und Geschwister nur dann, wenn es keine Eltern mehr gibt. 

Die Eltern, die Schwester und die Kinder des Opfers erhoben beim Gericht Venedig (Italien) Klage auf eine „gerechte und angemessene“ Entschädigung, die den ihnen durch das Tötungsdelikt entstandenen Schaden berücksichtigt. 

In diesem Zusammenhang fragt das italienische Gericht den EuGH, ob eine nationale Regelung, die die Zahlung von Entschädigungen an bestimmte Familienangehörige eines Opfers einer vorsätzlich begangenen Gewalttat im Fall des Todes dieses Opfers nach einem Tötungsdelikt von Amts wegen ausschließt, mit der Richtlinie der Union über die Entschädigung der Opfer von Straftaten (Richtlinie 2004/80/EG v. 29.04.2004) vereinbar ist. 

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der EuGH hat zunächst klargestellt, dass diese Richtlinie die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Entschädigungsregelung einzuführen, die sich nicht nur auf Personen erstrecken darf, die als direkte Opfer selbst vorsätzlich begangenen Gewalttaten ausgesetzt waren, sondern auch deren nahe Familienangehörige erfassen können muss, wenn sie als indirekte Opfer mittelbar die Folgen dieser Taten erleiden. 

Im Übrigen hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass die betreffende Richtlinie den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegt, eine Entschädigungsregelung für die Opfer von vorsätzlich begangenen Gewalttaten einzuführen, die eine gerechte und angemessene Entschädigung gewährleistet. 

Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit zwar über Ermessen, doch dürfen sie sich nicht auf eine rein symbolische oder angesichts der Schwere der Folgen der begangenen Straftat für diese Opfer offensichtlich unzureichende Entschädigung beschränken. 

Der Beitrag muss das Leid, dem die Opfer ausgesetzt waren, in adäquatem Umfang ausgleichen, um zur Wiedergutmachung des erlittenen materiellen und immateriellen Schadens beizutragen. 

Außerdem muss, wenn die betreffende nationale Regelung eine pauschale Entschädigung vorsieht, die Entschädigungstabelle hinreichend detailliert sein, um zu verhindern, dass sich die für eine bestimmte Art von Gewalt vorgesehene Entschädigung als offensichtlich unzureichend erweist. 

Der EuGH hat daher entschieden, dass eine nationale Regelung, die bestimmte Familienangehörige allein wegen des Vorhandenseins anderer Familienangehöriger automatisch von jeder Entschädigung ausschließt, ohne andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen (wie insbesondere die materiellen Folgen, die sich für diese Familienangehörigen aus dem Tod der betreffenden Person durch ein Tötungsdelikt ergeben, oder der Umstand, dass die verstorbene Person für sie unterhaltspflichtig war oder sie mit ihr in häuslicher Gemeinschaft lebten), nicht zu einer „gerechten und angemessenen Entschädigung“ führen kann. 

EuGH, Urt. v. 07.11.2024 - C-126/23 

Quelle: EuGH, Pressemitteilung v. 07.11.2024

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