Das Zeigen des sog. „Stinkefingers“ verstößt zwar gegen die im Rahmen eines Gewaltschutzverfahrens eingegangene Verpflichtung, jegliche Kontaktaufnahme zu unterlassen. Allerdings kann das Gericht ein Ordnungsgeld für einen derartigen Verstoß nur dann verhängen, wenn das Gericht dem Antragsteller die in Frage stehende Beleidigung auch nachweisen kann. Das hat das OLG Hamm entschieden.
Darum geht es
Die beiden Verfahrensbeteiligten, zwei erwachsene Männer, wohnen in etwa gegenüberliegenden Häusern in einer Straße in Detmold. Nach einer anfänglichen Bekanntschaft entstand zwischen ihnen ein nachbarschaftlicher Konflikt. In einem im Jahre 2011 geführten Gewaltschutzverfahren verpflichtete sich der Antragsgegner im Rahmen eines Vergleichs, eine Kontaktaufnahme zum Antragsteller zu unterlassen. In der Folgezeit behauptete der Antragsteller wiederholt, dass der Antragsgegner der Verpflichtung zuwiderhandle.
Wenn er, der Antragsteller, sein Haus verlasse, müsse er Beleidigungen des Antragsgegners ertragen, der ihm u.a. durch sein geöffnetes Fenster die Faust mit dem nach oben gestreckten Mittelfinger, den sog. "Stinkefinger", zeige.
Ein deswegen auf Antrag des Antragstellers vom Familiengericht in Detmold Ende 2011 verhängtes Ordnungsgeld von 100 € nahm der Antragsgegner hin. Ein zweiter Ordnungsgeldantrag hatte mangels hinreichend genau bezeichneter Verstöße keinen Erfolg.
Auf einen dritten Antrag, den der Antragsteller mit Mitte 2013 begangenen Zuwiderhandlungen begründete, verhängte das Familiengericht in Detmold mit Beschluss vom 11.10.2013 ein Ordnungsgeld von 500 €. Diesen Beschluss hat der Antragsgegner mit der Beschwerde angefochten und geltend gemacht, die ihm zur Last gelegten Verstöße nicht begangen zu haben.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hatte Erfolg. Das OLG Hamm hat den Ordnungsgeldbeschluss nach der persönlichen Anhörung der Beteiligten aufgehoben.
Die in Frage stehenden Beleidigungen habe der Antragsteller, so der Senat, nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen können. Sie seien nach der Anhörung der Beteiligten zwar überwiegend wahrscheinlich. Das genüge aber nicht, um im Vollstreckungsverfahren ein Ordnungsgeld zu verhängen. Neutrale Beweismittel seien nicht vorhanden.
Aus der persönlichen Anhörung der Beteiligten ergäben sich konträre Schilderungen. Es möge zwar eher unwahrscheinlich sein, dass der Antragsteller Handbewegungen des Antragsgegners beim Zigarettenrauchen als „Stinkefinger“ missverstanden habe. Mit der für das Verhängen eines Ordnungsgeldes notwendigen vollen Überzeugung des Gerichts könne es aber auch nicht ausgeschlossen werden.
Gleiches gelte für die Möglichkeit, dass die Vorwürfe des Antragstellers bewusst unwahr seien, um dem missliebigen Nachbarn zu schaden. Dass zu einem derartigen Zweck eigens die Gerichte bemüht würden, sei ein in der Gerichtspraxis nicht gänzlich unbekanntes Phänomen.
OLG Hamm, Beschl. v. 30.06.2014 - 14 WF 39/14
Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung v. 10.02.2015