Das Thüringer OVG hat den Freistaat Thüringen in einem Eilverfahren verpflichtet, einen Schüler vorläufig in die Klassenstufe 5 seiner Wunschschule aufzunehmen. Wegen eines fehlerhaft durchgeführten Auswahlverfahrens hat das Gericht dem Schüler ausnahmsweise einen Anspruch auf außerkapazitäre Aufnahme zugesprochen. Andernfalls sei ein effektiver Rechtsschutz faktisch nicht gewährleistet.
Darum geht es
Da die Zahl der Anmeldungen die freien Plätze deutlich überstieg, wurde ein Auswahlverfahren nach der zwischen dem Staatlichen Schulamt Ostthüringen und der Stadt Jena geschlossenen „Verwaltungsvereinbarung auf der Grundlage von § 15a Abs. 8 Thüringer Schulgesetz“ vom Dezember 2021 durchgeführt.
Die Wunschschule hatte den Aufnahmeantrag des Schülers abgelehnt. In dem Auswahlverfahren ist der Antragsteller nicht zum Zuge gekommen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat den Freistaat Thüringen verpflichtet, den Schüler vorläufig in die Klassenstufe 5 seiner Wunschschule in Jena aufzunehmen und hat den entgegenstehenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Gera aufgehoben.
Das durchgeführte Auswahlverfahren verletze den Antragsteller in seinem Recht auf Zugang zu den Schularten und Bildungsgängen, das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleistet und durch das Thüringer Schulgesetz ausgestaltet werde.
Zwar lasse das Thüringer Schulgesetz in § 15a Abs. 8 eine Abweichung von den gesetzlich geregelten Auswahlkriterien grundsätzlich zu. Die hier angewendete nicht veröffentlichte Verwaltungsvereinbarung sei aber keine wirksame Grundlage für die getroffene Auswahlentscheidung.
Vielmehr hätte das Schulamt durch eine ortsüblich bekanntzumachende Allgemeinverfügung sicherstellen müssen, dass die betroffenen Schülerinnen und Schüler und ihre Sorgeberechtigten rechtzeitig über die abweichenden Auswahlkriterien informiert wurden.
Wegen des fehlerhaft durchgeführten Auswahlverfahrens hat der Senat dem Antragsteller ausnahmsweise einen Anspruch auf außerkapazitäre Aufnahme in die Wunschschule zugesprochen.
Zwar sei nicht sicher, ob der Antragsteller in einem fehlerfreien Auswahlverfahren einen Platz an der Wunschschule erhalten hätte.
Würde man jedoch zu Unrecht nicht aufgenommenen Schülern bei Fehlern im Auswahlverfahren keinen Aufnahmeanspruch über die festgesetzte Kapazität hinaus zubilligen, wäre der nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz gebotene effektive Rechtsschutz faktisch nicht gewährleistet.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Thüringer OVG, Beschl. v. 26.08.2022 - 4 EO 504/22
Quelle: Thüringer OVG, Pressemitteilung v. 23.09.2022