Wurde der Sorgerechtsantrag eines Elternteils abgelehnt und wird dieser später erneut gestellt, ist er vom Bewertungsmaßstab her wie ein Erstantrag zu behandeln. Denn die bloße Beibehaltung des zuvor bestehenden Rechtszustands kann schon begrifflich keine Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung im Sinne von § 1696 BGB sein. Das hat das OLG Oldenburg entschieden.
Sachverhalt
Die Mutter zweier minderjähriger Kinder beantragte, das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das alleinige Entscheidungsrecht zu den Schul- und Berufsausbildungsfragen auf sie zu übertragen. Als Grund machte sie Kommunikations- und Kooperationsstörungen zwischen dem Kindesvater und sich geltend. Durch Beschluss vom 16.11.2016 übertrug das Gericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Mutter, nicht aber das Entscheidungsrecht.
Die Kommunikations- und Kooperationsstörungen bejahte das Gericht. Entscheidungen in schulischer und beruflicher Hinsicht stünden bei den Kindern aber aktuell nicht an. Die Eltern hätten vorrangig ihr Verhältnis zueinander zu klären. Dann ließen sich die Störungen vielleicht beseitigen. 2018 leitete die Mutter das Verfahren ein, um insgesamt die elterliche Sorge auf sich allein übertragen zu bekommen. Die Kommunikations- und Kooperationsstörungen hätten, wie sei im Einzelnen darlegt, zugenommen.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Für das Gericht stellte sich vorrangig die Frage, nach welchem Maßstab der Antrag der Mutter zu behandeln ist.
Wird erstmals beantragt, die beiden Eltern zustehende elterliche Sorge allein auf einen Elternteil zu übertragen, ist laut Gesetz bei Uneinigkeit der Eltern dem Antrag zu entsprechen, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der elterlichen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller (hier also auf die Mutter) dem Wohl des Kindes am besten entsprechen. Soll dagegen eine Umgestaltung einer Entscheidung zur elterlichen Sorge erfolgen, ist dafür Voraussetzung, dass dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist.
Unübersehbar ist: Die Schwelle, erstmals eine Änderung der elterlichen Sorge herbeizuführen, ist deutlich niedriger als die gerichtliche Änderung einer einmal getroffenen gerichtlichen Regelung zur elterlichen Sorge.
Das bedeutet: Hebt ein Gericht die gemeinsame elterliche Sorge auf und überträgt diese auf einen Elternteil allein, hat es der andere Elternteil besonders schwer, diese Entscheidung zu seinen Gunsten umzustoßen und geändert zu bekommen, weil er triftige nachhaltige Gründe anführen muss und es nicht mehr nur darauf ankommt, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Was aber gilt, wenn ein Elternteil seinen Sorgerechtsantrag gestellt hat und dieser abgelehnt wurde? Ist dann ein neuer Antrag wie ein echter neuer Antrag zu werten? Oder ist der Beschluss, durch den der erste Antrag abgelehnt wurde, ein Erstbeschluss, sodass der neue Antrag wie ein Abänderungsantrag zu diesem Ablehnungsbeschluss zu behandeln ist?
Den hier vorgestellten Fall hat das OLG Oldenburg zum Anlass genommen, dieser Frage nachzugehen und sie zu beantworten. Der Senat stellt zunächst die Rechtsprechung zu dem Thema dar, die bisher erging. Sie ist unterschiedlich. Sodann entscheidet der Senat, dass der wiederholte Sorgerechtsantrag wie ein Erstantrag zu behandeln ist.
Die höheren Anforderungen, die für einen Abänderungsantrag gelten, müssten erst dann erfüllt werden, wenn ein Gericht bereits in die gemeinsame elterliche Sorge eingegriffen habe – nicht aber, wenn dies im Rahmen eines ablehnenden Beschlusses unterblieben sei.
Folgerungen aus der Entscheidung
Liegt noch kein Gerichtsbeschluss vor, durch den die elterliche Sorge ganz oder teilweise neu verteilt bzw. zugeordnet wurde, ist Maßstab für eine Änderung, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Liegt bereits eine Gerichtsentscheidung vor, ist – wenn und soweit ihre Änderung verlangt wird – darauf abzustellen, ob triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe dafür vorliegen.
Praxishinweis
Liegen die Voraussetzungen vor, um eine Änderung der Sorgerechtssituation herbeizuführen, ist es angebracht, zu handeln. Denn wenn später der andere Elternteil wieder eine Änderung herbeiführen will, hat er eine deutlich höhere Hürde zu nehmen.
OLG Oldenburg, Beschl. v. 16.10.2018 – 1 WF 188/18
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Familienrecht Dr. Lambert Krause