Mit rund 200 Teilnehmenden in Präsenz und in etwa gleicher Zahl online fand am 26. und 27. April 2024 in Köln die 27. Jahresarbeitstagung Familienrecht des DAI statt. Tagungsleiterin Dr. Rita Coenen hatte ein straffes, anspruchsvolles Programm vorbereitet und dafür ein Team namhafter Referenten und Referentinnen zusammengestellt.
Hans-Joachim Dose, vormals Vorsitzender Richter des XII. Zivilsenats des BGH, eröffnete die Veranstaltung mit einem Vortrag zu dem Thema, das die familienrechtliche Diskussion derzeit wie kaum ein zweites bestimmt, zu der geplanten Reform des Unterhaltsrechts.
Ob sich diese aber tatsächlich aus dem seit August 2023 durch das BMJ veröffentlichte Eckpunktepapier noch hin zu einem vom Gesetzgeber verabschiedeten Regelungswerk entwickeln könne, wurde in Zweifel gezogen. Ein Gesetzentwurf lasse weiterhin auf sich warten und scheine in den Abstimmungen zwischen den Ministerien steckenzubleiben.
Die nüchterne Prognose des gut vernetzten Experten: kommt die Reform nicht mehr 2024, kommt sie in der laufenden Legislaturperiode gar nicht. Dabei sei die vorgesehene Regelung zum Kindesunterhaltsrecht im Wechselmodell an sich wünschenswert und dringlich, wenngleich die Regelungen nach der derzeitigen Planung noch etliche Schwächen in der Ausgestaltung auswiesen.
Hartmut Guhling, Nachfolger seines Vorredners auch als Vorsitzender des für das Familienrecht primär zuständigen XII. Zivilsenats des BGH, gab einen gut neunzigminütigen Überblick über die jüngere höchstrichterliche Rechtsprechung zum Familienrecht.
Hervorzuheben und zur weiteren Lektüre empfohlen seien hier vor allem BGH, Beschl. v. 18.05.2022 – XII ZB 325/20 - DRsp Nr. 2022/10575 zum Verhältnis von mietfreiem Wohnen und der Höhe des Kindesunterhalts, BGH, Beschl. v. 22.09.2021 – XII ZB 544/20 - DRsp Nr. 2021/15827 zum Einsatz von Altersvorsorgeunterhalt in eine private Rentenversicherung, BGH, Beschl. v. 06.03.2024 – XII ZB 159/23 - DRsp Nr. 2024/4783 zu den Voraussetzungen für das Zustandekommen einer Ehegatteninnengesellschaft sowie BGH, Beschl. v. 16.11.2022 - XII ZB 100/22 - DRsp Nr. 2023/1135 zur Teilungsversteigerung der Ehewohnung in der Trennungszeit.
Mit einem spannenden und lebhaft vorgetragenen Referat zu Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen führte Dr. Wolfgang Reetz, Notar in Köln, das Auditorium nach der Mittagspause zurück in die Materie.
Da in diesem Themenspektrum regelmäßig auch steuerrechtliche Fragestellungen zu berücksichtigen sind, wurde auf etliche Entscheidungen der Finanzgerichte hingewiesen, so z.B. BFH, Urt. v. 14.02.2023 – IX R 11/21 - DRsp Nr. 2023/4961 zur Übertragung des Familienheims auf den geschiedenen Ehepartner und den Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EstG. Der gleichermaßen anspruchsvolle wie anregende Beitrag fand im Zuhörendenkreis besondere Anerkennung.
Zur Systematik, besonderen Problemen und aktueller Rechtsprechung bei Einstweiligem Rechtsschutz und eA-Verfahren trug Vorsitzender Richter am OLG Dr. Alexander Schwonberg instruktiv vor. Vorsitzende Richterin am OLG Dr. Gudrun Lies-Benachib beendete den ersten Veranstaltungstag mit ihrem Update zum Versorgungsausgleich.
Die beiden für den Folgetag auf dem Programm stehenden Vorträge hielten Andreas Frank, Direktor des AG und Vorsitzender des Deutschen Familiengerichtstags, zur besonderen Problematik des Familienheims im Familienrecht sowie Vorsitzender Richter am OLG a.D. Werner Reinken mit einem Jahresrückblick zu (nahezu) sämtlichen Facetten des Familienrechts.
Die Jahresarbeitstagung Familienrecht ist für viele aus der Praxis, insbesondere der (Fach-)Anwaltschaft, fester und regelmäßiger Bestandteil der eigenen Fortbildung (10 Stunden nach § 15 FAO). Die hervorragende Organisation, die besondere Expertise der Vortragenden, die hohe Qualität der Einzelbeiträge und der daraus gezogene Gewinn für die eigene Praxis dürften für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wohl der Grund für den regelmäßigen Besuch sein.
Für 2025 vorzumerken sei daher schon jetzt der 9. und 10. Mai für die 28. Jahresarbeitstagung Familienrecht des DAI.